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Biden und Putin: Demokratie gegen Autokratie

Putin lässt keinen Zweifel an seiner Kriegsbereitschaft, Biden nicht an der Unterstützung Kiews.

Bidens symbolträchtige Rede vor dem Warschauer Königspalast
Bidens symbolträchtige Rede vor dem Warschauer Königspalast

Wladimir Putin geht am Dienstag vom ersten Satz an in die Vollen. "Wir erleben eine schwierige Zeit für unser Land", gibt der russische Präsident zu Beginn seiner Rede an die Nation zu. "Eine Zeit des Umbruchs in der Welt", ergänzt er und leitet dann sofort dazu über, die Invasion in der Ukraine zu rechtfertigen. Russland habe "aufrichtig Frieden gewollt", mit Kiew und dem Westen. Doch dort, vor allem in den USA, habe man sich "auf einen großen Krieg vorbereitet". Fazit: "Der Westen hat diesen Krieg begonnen."

Putin gefällt sich mit Täter-Opfer-Umkehr

Man hat all diese Falschbehauptungen schon oft gehört. Es ist die übliche Täter-Opfer-Umkehr. Das Neue hebt sich der Kremlchef vor Hunderten Deputierten der Staatsduma und des Föderationsrates, vor Militärs und Kirchenvertretern bis zum Schluss auf: Der Westen hätte es auf eine "strategische Niederlage" Russlands abgesehen mit dem Ziel, das Land zu zerstören. "Deshalb muss ich heute mitteilen, dass Russland seine Teilnahme am Abkommen über strategische Offensivwaffen aussetzt." Gemeint ist der "New Start"-Vertrag, der die Zahl der Atomsprengköpfe und der Trägersysteme in Russland und den USA begrenzt. Dies sei kein endgültiges Aus, sagt Putin, aber ein zwingendes Signal.

Moskau will sich nach der Rede doch an dem Atomvertrag halten

Doch Stunden später relativierte das Außenministerium in Moskau die Aussagen. Russland werde sich "weiterhin strikt an die quantitativen Begrenzungen für strategische Offensivwaffen halten", hieß es.

Die auch von der Ukraine seit Monaten befürchtete und von Hardlinern in Moskau geforderte zweite russische Mobilmachungswelle bleibt jedenfalls vorerst weiter aus. Doch Putin meinte, dass es "unmöglich ist, Russland auf dem Schlachtfeld zu besiegen". Die politische Führung in Kiew beschimpfte der 70-Jährige einmal mehr als "Neonazi-Regime".

Dann wendet er sich der Innenpolitik zu. Veteranen und Angehörigen getöteter Soldaten stellte er finanzielle Unterstützung in Aussicht. Ein eigener Hilfsfonds solle eingerichtet werden, die Familie jedes Gefallenen solle einen Sozialarbeiter an die Seite gestellt bekommen.

Das letzte Wort hatte US-Präsident Joe Biden in Warschau

Doch das letzte Wort hatte an diesem Dienstag der amerikanische Präsident. Aus Kiew war Joe Biden, der zehn Jahre älter ist als Putin, mit dem Zug an die Grenze und von dort nach Warschau geflogen. In der polnischen Hauptstadt hielt er noch am Abend eine programmatische Rede. Für seinen Auftritt hatte er einen besonderen Ort gewählt. Das Warschauer Königsschloss gilt als Symbol der im Zweiten Weltkrieg von Hitler-Deutschland größtenteils zerstörten und später wiederaufgebauten Stadt. Demokratie gegen Autokratie, Widerstand und Wiederaufbau - all das schwang hier mit. "Die Vereinigten Staaten und die europäischen Nationen wollen Russland nicht kontrollieren oder zerstören", betonte Biden. Der Krieg habe die Demokratien dieser Welt auf den Prüfstand gestellt.

"Wir setzen uns für Demokratie ein. Egal, was passiert."

Aber dieses Jahr habe gezeigt: "Wir setzen uns für Demokratie ein. Egal, was passiert." Und damit habe Putin nicht gerechnet, sagte Biden. Dieser Krieg sei eine Tragödie und Putin habe ihn gewählt. "Jeder Tag, an dem der Krieg weitergeht, ist seine Entscheidung. Er könnte den Krieg mit einem Wort beenden. Es ist ganz einfach."

Ein Loblied stimmte der US-Präsident auf die Nato an: "Es ist vielleicht das bedeutsamste Bündnis der Geschichte", sagt er und beschwor die Stärke des Verteidigungsbündnisses. "Jedes Mitglied der Nato weiß es, und Russland weiß es auch: Ein Angriff gegen einen ist ein Angriff gegen alle. Es ist ein heiliger Eid, jeden Zoll Nato-Gebiet zu verteidigen."

Biden lobte seinen Gastgeber Polen für sein Engagement bei der Aufnahme von ukrainischen Flüchtlingen, aber auch hinsichtlich seiner militärischen Hilfe für die Ukraine.

Indessen berichtete das "Wall Street Journal", dass der chinesische Präsident Xi Jinping einen Moskau-Besuch plane. Die Pläne befänden sich in einem frühen Stadium und das Datum noch unklar. Der Gipfel solle Teil eines Verstoßes für Friedensgespräche zur Ukraine unter Beteiligung mehrerer Parteien sein und könnte im April stattfinden.

Zentrale Aussagen Bidens aus seiner Rede

"Vor einem Jahr bereitete sich die Welt auf den Fall von Kiew vor. Ich komme gerade aus Kiew und ich kann berichten: Kiew steht stark, es steht stolz und am wichtigsten, es steht frei."

"Unsere Unterstützung für die Ukraine wird nicht wanken. Die Nato wird nicht gespalten und wir werden nicht müde werden."

"Die Demokratien der Welt sind stärker geworden. Die Autokratien der Welt sind schwächer geworden."

"Dieser Krieg war nie eine Notwendigkeit, er ist eine Tragödie."

"Die Ukraine wird nie ein Sieg für Russland sein."

"Autokraten verstehen nur ein Wort: Nein. Nein, ihr nehmt nicht unser Land. Nicht unsere Zukunft. Nicht unsere Freiheit."

"Der Westen plant keinen Angriff auf Russland. Nicht das russische Volk ist der Feind. Putin wählte den Krieg. Was er tut, ist seine eigene Wahl."

"Es gibt kein höheres Streben als Freiheit. Stehen Sie zu uns, wir werden zu Ihnen stehen."

Zentrale Aussagen Putins aus seiner Rede


"Die westlichen Eliten halten ihr Ziel nicht verborgen: Russland eine strategische Niederlage zuzufügen, das heißt, uns ein für alle Mal zu erledigen."

"Die militärische Spezialoperation wird fortgesetzt. Schritt für Schritt, sorgfältig und konsequent werden wir die vor uns liegenden Aufgaben lösen."

"Die Verantwortung für das Schüren des Ukraine-Konflikts, für seine Eskalation, für die vielen Opfer (...) liegt voll bei den westlichen Eliten."

"Russland hat sich durch die westlichen Sanktionen nicht erschrecken lassen. Sie wollen das Volk zum Leiden bringen, um so unsere Gesellschaft zu destabilisieren."

"Der Westen hat nichts erreicht und wird nichts erreichen."

"Der Ausstattungsgrad der nuklearen Abschreckungskräfte Russlands mit neuesten Systemen beträgt jetzt 91,3 Prozent. Nun - unter Berücksichtigung unserer gesammelten Erfahrungen - müssen wir ein solch hohes Qualitätsniveau in allen Teilen der Streitkräfte erreichen."