Vor sieben Jahren haben die letzten Wehrpflichtigen in Italien ihre Spinde ausgeräumt, die letzten Verweigerer sich auf den Zivildienst vorbereitet. Heutzutage hat Italien zwar eine Menge schwerwiegender Probleme, doch die Angst vor äußeren Feinden zählt nicht dazu. Auch die sozialen Dienste sind nicht zusammengebrochen.
Kurz vor den Sommerferien des Jahres 2004 hatten sich die Abgeordneten von Regierungsparteien und Opposition von ihren Sitzen erhoben, um einer fast einstimmig getroffenen Entscheidung zu applaudieren: Die zuletzt zehnmonatige Wehrpflicht und damit auch der zivile Ersatzdienst sollten abgeschafft werden.
Genauer: Zu Jahresbeginn 2005 sollte die Wehrpflicht dauerhaft ausgesetzt werden; denn schließlich wollte man den feierlichen Artikel 52 der Verfassung nicht anrühren: "Die Verteidigung des Vaterlandes ist eine heilige Pflicht des Staatsbürgers." So wurde der Begriff der "Verteidigung" sehr weitmaschig interpretiert und auf Hilfe bei Katastrophen und das Engagement für Werte ausgedehnt. Die "heilige Pflicht" wurde in das Belieben des Gesetzgebers gestellt. Damals gab es eine Mitte-rechts-Regierung unter Silvio Berlusconi; doch schon die Mitte-links-Regierung unter Giuliano Amato hatte im Jahr 2000 die gesetzgeberischen Vorarbeiten für die De-facto-Abschaffung des obligatorischen Kriegsdienstes geleistet.Kein emotionsgeladenes ThemaDiese seltene parteiübergreifende Einigkeit zeigt, dass das Thema nicht wie in anderen Ländern emotionsgeladen war und die Diskussion daher sachlich und unspektakulär verlaufen konnte. Die Wehrpflicht war nicht sonderlich beliebt, sodass die letzten Jahrgänge, die noch eingezogen wurden, schimpften. Die Jüngeren aber und ihre Eltern atmeten auf, dass es sie nicht mehr traf.
Die italienischen Streitkräfte bestehen nur noch aus Berufssoldaten und Freiwilligen. Es gibt keine Personalengpässe - nicht nur deshalb, weil die Sollstärke von 190.000 Männern und Frauen allein schon aus finanziellen Gründen auf 150.000 und noch weiter herabgesenkt wird. Schon wegen der hohen Jugendarbeitslosigkeit gibt es einen starken Drang zum einjährigen freiwilligen Dienst in der Armee; ein Drang, der die Aufnahmekapazität etwa um ein Vierfaches übersteigt.
Hauptanreiz für den zwölfmonatigen Waffendienst ist, dass er die Voraussetzung für die Aufnahme in die Reihen der Carabinieri, Polizia di Stato, Guardia di Finanza und der Berufsfeuerwehr ist. Wenn man sich gar für weitere vier Jahre verpflichtet und obendrein die Möglichkeiten begleitender Aus- und Fortbildung nutzt, werden die Chancen deutlich besser, eine dauerhafte Anstellung bei den Sicherheits- und Zivilschutzkräften zu bekommen.Gestrichene Geldmittel das ProblemAls mit der Wehrpflicht natürlich auch die Ersatzdienstpflicht abgeschafft wurde, schien das zunächst ein harter Schlag für viele soziale Dienste. Doch das Problem war und ist nicht die gestrichene Pflicht, sondern sind gestrichene Geldmittel. Zivildienst gibt es in Italien seit vierzig Jahren. Ursprünglich dauerte er acht Monate länger als der Militärdienst, was zusammen mit strengen Gewissensprüfungen den Zulauf der Wehrdienstverweigerer begrenzte. Als das Verfassungsgericht die Ungleichheit beseitigen ließ und ein neues Gesetz den Zivildienst immer attraktiver machte, gab es bald mehr Zivil- als Wehrdienstleistende. Der Gesetzgeber fand, dass auch der Servizio Civile Nazionale eine Art sei, das "Vaterland zu verteidigen", nämlich sich für "gemeinsame Werte und die demokratische Grundordnung" einzusetzen.
So wurde dieser seit dem 2005 freiwillige Zivildienst aufgewertet. In der Sozialhilfe, im Katastrophenschutz, im Umweltschutz sowie im Erziehungs- und Kulturbereich arbeiten junge Leute zwischen 18 und 28 Jahren. Zu einem solchen freiwilligen sozialen Jahr melden sich immer mehr junge Frauen, die inzwischen mehr als zwei Drittel des Zivildienstes ausmachen. Dass der Andrang größer ist, als er verkraftet werden kann, liegt wohl auch an einer schönen italienischen Tradition: Dienst am Mitmenschen und der Gesellschaft vor allem in Not- und Unglückssituationen - privat oder in Verbänden - wird in hohem Maße praktiziert.
Hier geht es zur Übersicht, wie die Wehrpflicht in anderen Ländern rund um den Globus geregelt ist.