Bundespolitiker in Deutschland haben die mögliche Bildung einer FPÖ-geführten Regierung in Österreich als Warnung auch für Deutschland gewertet. Es sei ein "Warnsignal, dass der Politikwechsel den Parteien der Mitte nicht gelungen ist", sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt am Montag. "Das hat die Ränder weiter gestärkt, in diesem Fall die FPÖ." Die radikalen Parteien würden "zunehmend mehrheitsfähig".
Alexander Dobrindt sagte, Österreich habe ähnliche Probleme wie Deutschland - etwa die wirtschaftliche Schwäche und Schwierigkeiten im Bereich Migration. "Das führt dann genau zu solchen Ergebnissen, wie wir sie sehen", sagte der CSU-Politiker. "Das heißt für Deutschland: Achtung an der Bahnsteigkante. Wir müssen alles daransetzen, dass genau so eine Situation nicht entsteht."
Der deutsche Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) wertete die Entwicklung in Österreich als Mahnung an die Parteien der Mitte. "Der Blick nach Österreich zeigt, was passiert, wenn man nicht mehr bündnisfähig ist", sagte Habeck im Deutschlandfunk. Er warnte vor einer Entwicklung, in der "die Parteien sich immer weiter auseinanderbewegen".
- Mit der SPÖ war das (Reformen, Anm.) nicht möglich. (...) Nicht einmal dem Ziel, das faktische Renteneintrittsalter bis 2030 auf 63,5 Jahre heraufzusetzen, wollten Österreichs Sozialdemokraten zustimmen, vom Plan der Einführung einer Rente mit 67 ganz zu schweigen. Wie groß kann die Realitätsverweigerung noch sein? Wo bleibt der in Österreich gern zitierte "Hausverstand"? (...) Doch ein Bundeskanzler Herbert Kickl, bekennender EU-Skeptiker und Anhänger des illiberalen ungarischen Ministerpräsidenten Orbán, bliebe nicht nur wegen der europapolitischen Folgen ein gewagtes Experiment.Frankfurter Allgemeine Zeitung
Habeck: "Der Blick nach Österreich zeigt, was passiert, wenn man nicht nicht mehr bündnisfähig ist"
Österreich steuert womöglich auf eine Koalition zwischen der rechtspopulistischen FPÖ und der konservativen ÖVP als Juniorpartner zu. Die Grünen ziehen aus der gescheiterten Bildung einer Regierung ohne die FPÖ in Österreich auch Schlüsse für Deutschland. "Die festgefahrene Situation in Österreich sollten wir als Warnung wahrnehmen", sagte Parteichefin Franziska Brantner. In Österreich sei zu erkennen: "Wenn Parteitaktik über Bündnisfähigkeit gestellt wird, triumphieren am Ende die Populisten."
Die Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Britta Haßelmann, sagte der dpa: "Nach Wahlen müssen alle demokratischen Kräfte bereit sein, miteinander zu sprechen und zu einem Konsens zu kommen." Dabei richtete sich Haßelmann besonders an die CSU, deren Landesgruppe im Bundestag am Montag ihre Winterklausur im Kloster Seeon startete. "Wer, wie die CSU, demokratische Bündnisse beinahe täglich mit großem Getöse ausschließt, macht sich unglaubwürdig und spielt Antidemokraten in die Hände", warnte die Fraktionschefin. CSU-Chef Markus Söder hatte sich zuletzt immer wieder gegen eine Koalition mit den Grünen ausgesprochen. "Statt negativen Abgrenzungen von den Grünen würde ich von Markus Söder gerne hören, wie sein Plan ausschaut, dieses Land voranzubringen", sagte Brantner. Denn gegen eine andere Partei zu sein sei noch kein politisches Konzept.
- Nun ist die Strategie der Ausgrenzung Kickls krachend gescheitert, weil die Verhinderung einer FPÖ-Regierungsbeteiligung kein Ersatz war für eine Vision zum gemeinsamen Regieren. Seit Nehammers Rücktritt hat die ÖVP einen rapiden Kurswechsel in Richtung Freiheitliche vorgenommen - weil die Option Neuwahlen für sie noch unattraktiver ist als die undankbare Rolle des Juniorpartners. Ob es innerhalb der FPÖ genug Kompetenz zum Regieren gibt, muss sich weisen. Die Partei hat sich schon mehr als einmal selbst zerlegt, sobald sie an der Macht war. So stark wie heute war ihre Position allerdings nie - und ihre Konkurrenten waren nie so schwach und uninspiriert.Neue Zürcher Zeitung
Söder besorgt: Entwicklung in Österreich sei "nicht gut"
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder äußerte sich auch umgehend. Er sei besorgt über die politische Entwicklung im Nachbarland Österreich, wo die rechte FPÖ den Auftrag zur Regierungsbildung bekommen hat. "Es ist zunächst mal eine Entscheidung von Österreich selbst", sagte der CSU-Vorsitzende bei der Tagung der CSU-Landesgruppe im Bundestag im Kloster Seeon. Man müsse schauen, was dabei herauskomme. "Aber die Entwicklung ist natürlich nicht gut."
Söder nahm die politischen Vorgänge im Nachbarland auch zum Anlass, um vor einem schwarz-grünen Bündnis in Deutschland zu warnen, das er strikt ablehnt: "Österreich hat gezeigt, wohin Schwarz-Grün führt: nur zum extremen Erstarken von anderen Kräften, dort der FPÖ." Das wäre hier mit der AfD genauso, sagte der CSU-Chef. Er und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt werteten die Entwicklung in Österreich auch als Beleg dafür, dass Deutschland bei der Bundestagswahl am 23. Februar nicht nur einen Regierungswechsel brauche. "Als Lehre aus Österreich gilt es dafür zu sorgen, dass der Politikwechsel in Deutschland schlichtweg jetzt gelingen muss. Ansonsten besteht auch die Gefahr, dass radikale Parteien weiter wachsen", mahnte Dobrindt.
- Der Aufstieg der FPÖ würde ihren Brandstifter Herbert Kickl in die Position des Bundeskanzlers bringen und einen neuen Höhepunkt für den Aufstieg der extremen Rechten in Europa markieren. Sie (eine Regierung Kickl, Anm.) wäre eine der ersten offen rechtsextremen Regierungen in Europa.New York Times
Söder gab zu bedenken, dass die FPÖ eine andere Tradition habe als die AfD. Die FPÖ regiere in vielen Bundesländern mit und sei schon einmal in der österreichischen Bundesregierung gewesen. Zudem gelte: "Deutsche Rechtspopulisten sind immer noch mal schlimmer, weil sie immer die schlimmsten sind von allen. Es liegt leider im deutschen Wesen, dass wir an der Stelle immer am konsequentesten sein wollen."
Söder: "Ich habe keine Lust, dass wir die Steigbügelhalter sind"
Ganz anders deutete dagegen AfD-Parteichefin Alice Weidel die Entwicklungen in Wien. Weidel zufolge wünsche sich eine Mehrheit der Wähler "eine Koalition aus AfD und CDU". "Ein Blick nach Österreich zeigt, welche Folgen die Ignoranz dieser Mehrheit hat", schrieb Weidel auf X.
