Unter normalen Umständen wäre die Nachricht vom Dienstagabend eine Katastrophe gewesen. Die Nationale Liga für Demokratie (NLD) sei mit sofortiger Wirkung aufgelöst, erklärte das vom Militär kontrollierte Staatsfernsehen in den Nachrichten. "Automatisch" vollziehe sich dieser Schritt, so der Sender MRTV, weil die Partei es versäumt habe, sich erneut zu registrieren. Insgesamt 40 Parteien, die einen ähnlichen Schritt verpassten, sind nun verschwunden. Man müsste daraus folgen: Es ist das Ende der Demokratie in Myanmar.
Wenn dies nicht schon längst der Fall wäre. Im Februar 2021 hatte sich das Militär, das zuvor auch schon über Jahrzehnte das Land regiert hatte, an die Macht geputscht und damit eine junge Demokratie erstickt. Die NLD-Chefin und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi, die bis dahin als Staatsrätin Teil der gewählten Regierung gewesen war, nahmen die Militärs fest, wie auch einige andere NLD-Vertreter. Auf große Proteste gegen diesen Schritt reagierte die Militärjunta mit Gewalt - bis heute.
Längst ist das südostasiatische 54-Millionenland Myanmar im Chaos versunken. Bei Kämpfen, Protesten und Razzien im ganzen Land sind über 20.000 Menschen festgenommen worden, 17.000 davon befinden sich laut der Hilfsorganisation für politische Gefangene (AAPP) weiterhin in Gefangenschaft. Durch die Junta getötet wurden demnach an die 3200 Personen. Versuche, die Lage zu befrieden, sind bisher gescheitert. So hatte der südostasiatische Staatenverbund ASEAN im Frühjahr 2021 mit dem Militärregime einen Fünf-Punkteplan vereinbart, der sich aber schnell als Papiertiger herausstellte.
Ähnlich verhält es sich nun mit dem Versprechen der Junta, Wahlen zu organisieren. Ihren Putsch hat das Regime um General Min Aung Hlaing damit gerechtfertigt, dass es bei der letzten Wahl im November 2020 Betrug gegeben habe, wenngleich dafür keine Belege präsentiert wurden.
Indem die NLD nun nicht mehr existiert, haben sich die Vorbehalte gegenüber dem Versprechen von Wahlen bestätigt. Die demokratischen Kräfte haben längst selbst zu den Waffen gegriffen. Politiker der NLD, die eigentlich ins Parlament gewählt worden waren, haben im Untergrund die "Nationale Einheitsregierung" ausgerufen, die auch bereits einen eigenen militärischen Arm hat. Allerdings stehen längst nicht alle Menschen auf der Seite der "Einheitsregierung." Deren Quasi-Vorgängerin NLD war zur Zeit, als sie gemeinsam mit dem Militär regierte, für die Diskriminierung diverser ethnischer Minderheiten mitverantwortlich. "Im Moment gibt es keine Kraft, die genug Macht hat, um bei Wahlen einen klaren Sieg herbeizuführen", sagt Jonathan Liljeblad, der in Myanmar geboren wurde und als Politikprofessor an der Australian National University zu Myanmar forscht. Der Bürgerkrieg, in dem sich das Land befinde, nähere sich noch keinem Ende. Und die Auflösung der populärsten Partei des Landes ebnet den Weg zu einer Rückkehr in die Demokratie auch nicht gerade.