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Erstmals Frau an Spitze der Anglikanischen Kirche

England bekommt erstmals eine anglikanische Primatin: Sarah Mullally (63), bisher anglikanische Bischöfin von London, wird die Nummer eins der Kirche von England. Sie wurde am Freitag von König Charles III. zur Nachfolgerin von Justin Welby ernannt. Als 106. Erzbischof von Canterbury ist die frühere Krankenpflegerin die erste Frau in diesem Amt. Schon bisher war Mullally die höchstrangige Frau in der Geschichte der anglikanischen Staatskirche.

Sarah Mullally erste Erzbischöfin von Canterbury
Sarah Mullally erste Erzbischöfin von Canterbury

Mullally ist laut Kathpress die 105. Nachfolgerin des heiligen Augustinus von Canterbury, der um 597 von Papst Gregor I. nach England gesandt wurde, um die Angelsachsen zu missionieren. Er war der Gründer der englischen Kirche, die seit der Reformation im 16. Jahrhundert nicht mehr katholisch ist, sondern protestantisch wurde.

Übernahme des Kathedralsitzes im März

Nach Kirchenangaben soll die Wahl der neuen Erzbischöfin von Canterbury am 28. Jänner 2026 bei einer Zeremonie in der Londoner St. Paul's Cathedral bestätigt werden. Im März 2026 wird Mullally den Kathedralsitz von Canterbury feierlich übernehmen.

In ihrer neuen Rolle ist Mullally Diözesanbischöfin und Leiterin der Kirchenprovinz Canterbury sowie Primas von ganz England. Der jeweilige Erzbischof von Canterbury ist traditionell auch Ehrenoberhaupt der anglikanischen Weltgemeinschaft. Jedoch gibt es seit Jahren immer wieder Überlegungen, diese verschiedenen Pflichten stärker zu entkoppeln.

"The King's Bishop"

Die gelernte Krankenpflegerin Mullally wechselte 1999 für fünf Jahre als Leiterin Pflege ins britische Gesundheitsministerium. 2001 erhielt sie die Diakonenweihe und 2006 die Priesterweihe. Im Juli 2015 wurde sie vom anglikanischen Primas Welby zur Bischöfin geweiht; in Exeter war sie Englands zweite Diözesanbischöfin. Seit 1987 ist Mullally verheiratet; sie hat zwei Kinder.

Als Bischöfin von London war sie seit 2017 nicht nur die Nummer drei in der anglikanischen Hierarchie nach den Erzbischöfen von Canterbury und York. Als einer von fünf "Geistlichen Lords" ist der Bischof von London geborenes Mitglied des Oberhauses. Zudem ist er auch Dekan der rechtlich eigenständigen - königlichen Kapellen, was ihm einen privilegierten Zugang zur Royal Family gibt. Wegen dieser Nähe wird er auch als "The King's Bishop" bezeichnet.

Die anglikanische Kirche

Die anglikanische Kirche entstand zur Zeit der Reformation in England. König Heinrich VIII. brach 1533 mit dem Papst, weil dieser sich weigerte, die Ehe des Königs mit Katharina von Aragon zu annullieren. Als Oberhaupt einer neuen Staatskirche setzte sich Heinrich VIII. 1534 selbst ein. In Glaubensfragen blieben die Anglikaner zunächst bei der katholischen Lehre; später setzten sich protestantische Einflüsse durch. 1549 erschien das erste anglikanische Glaubensbuch, das "Book of Common Prayer".

Der englischen Mutterkirche steht König Charles III. als weltliches Oberhaupt vor. Geistliches Oberhaupt, Primas der Kirche von England sowie Ehrenoberhaupt der anglikanischen Weltgemeinschaft ist der Erzbischof von Canterbury, zuletzt bis Anfang Jänner der vorzeitig zurückgetretene Justin Welby. Er hat jedoch als Primus inter pares (Erster unter Gleichen) keine Weisungsbefugnis für die Nationalkirchen.

Weltweit zählt die anglikanische Kirche nach unterschiedlichen Angaben 77 bis 85 Millionen Mitglieder in rund 500 Diözesen. Außerhalb Englands gibt es 42 anglikanische Kirchenprovinzen, darunter in den USA, Australien und in mehreren Ländern Afrikas, sowie fünf weitere Kirchen.

Innerkirchliche Spannungen

Die vergangenen Jahrzehnte waren von innerkirchlichen Spannungen und der Auseinandersetzung mit der fortschreitenden Säkularisierung der Gesellschaft geprägt. Streitfragen sind die in vielen Nationalkirchen zugelassene Weihe von Frauen zu Geistlichen, teils auch zu Bischöfinnen, sowie der Umgang mit homosexuellen Paaren. Seit Dezember 2023 können in Gottesdiensten der Church of England gleichgeschlechtliche Paare gesegnet werden. Die anglikanische Staatskirche betont allerdings, dass es sich nicht um eine Trauungszeremonie handele.