Es werde "von entscheidender Bedeutung sein, diese Dynamik aufrechtzuerhalten und jegliches Risiko eines Rückschritts zu vermeiden", betonte Kos. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen teilte mit, man sei entschlossener denn je, eine EU-Erweiterung zu verwirklichen. "Aber es muss und wird ein leistungsorientierter Prozess bleiben", fügte die deutsche Politikerin hinzu.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj forderte unterdessen Ungarn dazu auf, den Beitritt der Ukraine nicht weiter zu blockieren. "Wir kämpfen um unser Überleben und würden uns sehr wünschen, dass der ungarische Ministerpräsident uns unterstützt oder zumindest nicht blockiert", sagte Selenskyj bei einer Veranstaltung des Senders Euronews, dem er per Video zugeschaltet war. Die russische Invasion der Ukraine hat den lange stillstehenden Bemühungen um eine Erweiterung der 27 Mitgliedsländer zählenden EU neues Leben eingehaucht. Brüssel sieht die Erweiterung angesichts der russischen Aggression und des Wettbewerbs mit China als geopolitische Priorität an.
Derzeit gibt es zehn Beitrittskandidaten - auch wenn der Prozess bei einigen Ländern, wie etwa der Türkei, praktisch eingefroren ist. Am meisten Hoffnungen auf einen baldigen Beitritt dürfen sich die beiden Balkanländer Montenegro und Albanien machen. Der Ukraine und Moldau steht nach ihren Beitrittsersuchen im Jahr 2022 zwar noch ein langer Weg bevor. Beide Länder haben aber in der kurzen Zeit bereits entscheidende Fortschritte gemacht. Für einige Länder sei ein EU-Beitritt in den kommenden Jahren "eine realistische Möglichkeit", sagte Kos. Das nächste Jahr werde "ein Moment der Wahrheit für alle Beitrittskandidaten", betonte sie.
Montenegro will Verhandlungen bis Ende 2026 abschließen
Ein Beitritt zur EU beinhaltet jahrelange Verhandlungen und umfassende Reformen. Montenegro hat angekündigt, den Prozess bis Ende 2026 abschließen zu wollen. Albanien will dies 2027 erreichen, die Ukraine und Moldau hoffen auf 2028. EU-Migrationskommissar Magnus Brunner betonte, dass Montenegro und Albanien die besten Fortschritte zeigten. "Eine engere Anbindung dieser Länder stärkt Stabilität, Sicherheit und Wettbewerbsfähigkeit in ganz Europa", so Brunner. Daher empfehle man Montenegro, ihre Visapolitik noch besser an die EU anzugleichen und Albanien, die Gesetzgebung zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität zu verabschieden.
Für einige Länder hält der Bericht allerdings Kritik parat. So ist der Ausblick für Georgien düster. Die Regierung des Kaukasus-Landes hat sich zuletzt zunehmend Russland zugewandt und geht hart gegen die Opposition vor. Die Lage in Georgien habe sich "drastisch verschlechtert", sagte Kos. Es habe "gravierende Rückschritte in Sachen Demokratie" gegeben. "Die Kommission betrachtet Georgien nur noch dem Namen nach als Beitrittskandidat", verdeutlichte die Erweiterungskommissarin.
Auch in Serbien gingen die Reformen "deutlich" langsamer voran als zuvor, sagte Kos. Die Regierung in Belgrad bekräftigt dennoch immer wieder ihren Willen zum Beitritt.
Angesichts einer möglichen Vergrößerung der EU strebt Brüssel Reformen an, um die Entscheidungsfähigkeit der Union zu gewährleisten. In den vergangenen Jahren haben Länder wie Ungarn die Arbeit der EU immer wieder blockiert und im eigenen Land die Rechtsstaatlichkeit ausgehöhlt. Kos sagte, die EU wolle "stärkere Schutzmaßnahmen" ergreifen, um dies künftig zu verhindern.
Reaktionen aus Österreich
"Wir müssen vermeiden, dass in unserer unmittelbaren Nachbarschaft ein geopolitisches Vakuum entsteht, das von anderen Staaten wie Russland oder China gefüllt wird. Daher setzen wir uns auf europäischer Ebene intensiv für eine EU-Erweiterung ein. Klar ist aber, dass die Kriterien erfüllt werden müssen", betonte Außenministerin Beate Meinl-Reisinger (NEOS). Österreich würde durch "die Einbettung des Westbalkans, Moldaus und der Ukraine in den EU-Binnenmarkt" wirtschaftlich stark profitieren, so die Außenministerin weiters. Um den Erweiterungsprozess zu beschleunigen, sei es klug "Verfahren zu vereinfachen - ohne die Beitrittsvoraussetzungen aufzuweichen", betonte Meinl-Reisinger.
"Wenn Beitrittskandidaten Fortschritte machen, muss Europa Wort halten. Jetzt braucht es Tempo und Verlässlichkeit im Erweiterungsprozess, mit einem klaren Fahrplan für die nächsten Schritte Richtung EU auf Basis transparenter Kriterien und echter Reformfortschritte", forderte indes Europaministerin Claudia Plakolm (ÖVP). Entscheidend sei, dass jeder Staat nach seiner eigenen Leistung bewertet werde.
Kritik an einem möglichen EU-Beitritt der Ukraine äußerte die FPÖ. Dies wäre wirtschaftliche Selbstmord, so die FPÖ-Außenpolitik- und EU-Sprecherin Susanne Fürst. Der FPÖ-Delegationsleiter im EU-Parlament, Harald Vilimsky, warf der EU Doppelmoral vor, da sie Länder wie die Ukraine oder Albanien über alle Maße lobe, während Serbien ausschließlich kritisiert werde. In Serbien liege es in der Hand der Regierung von Präsident Aleksandar Vucic, ob das Land wieder auf den Weg in Richtung EU zurückkehre, erklärte indes ÖVP-EU-Delegationsleiter Reinhold Lopatka. "Oder ob er dem Beispiel Georgiens folgen wolle, das sich von der EU abgewandt hat und in Russlands Einflusssphäre drängt." Bei Montenegro und Albanien konstatierte Lopatka hingegen Fortschritten in vielen Bereichen, in Moldau bei der Korruptionsbekämpfung und Wirtschaftsreformen.
EU-kritische Äußerungen und Putin-freundliche Positionierungen dürften nicht weiter belohnt werden, forderte der SPÖ-EU-Delegationsleiter Andreas Schieder in Richtung Serbien. Albanien sei hingegen ein stabilisierender Faktor in der Region und schon jetzt einer unserer engsten Verbündeten in der Sicherheits- und Außenpolitik, so Schieder. Auch der NEOS-EU-Delegationsleiter Helmut Brandstätter verwies auf Fortschritte in Albanien und Montenegro und die dort breit verankerte europäische Perspektive. Als Schattenberichterstatter des Europäischen Parlaments für Serbien warnte indes auch Brandstätter vor der autoritären Entwicklung dort.
(Quelle: APA/dpa/AFP)
