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EU will Schutz vor Veto-Missbrauch durch neue Mitglieder

EU-Erweiterungskommissarin Marta Kos will sicherstellen, dass künftige EU-Beitrittsländer nicht ihr Veto im Interesse einer ausländischen Macht missbrauchen können, um Europa zu spalten oder zu schwächen. "Wir müssen eine ehrliche Diskussion darüber führen, welche Schutzmaßnahmen wir in künftige Beitrittsverträge aufnehmen werden, um unseren Bürgern zu versichern, dass die Integrität unserer Union geschützt ist", sagte Kos am Donnerstagabend im Parlament in Wien.

EU-Erweiterungskommissarin Marta Kos in Wien (Archivbild)
EU-Erweiterungskommissarin Marta Kos in Wien (Archivbild)

In ihrer "Rede an die Freiheit" betonte die aus Slowenien stammende EU-Kommissarin, liberale Politikerin und Ex-Diplomatin zugleich, dass sie keine EU-Mitgliedschaft mit weniger Rechten oder ohne Stimmrecht vorschlage. "Wir diskutieren hier über Schutzmaßnahmen gegen Rückschritte." Die "Rede an die Freiheit" wird von der liberalen "Renew Europe" und dem NEOS-Thinktank "NEOS Lab" veranstaltet.

Kos bedauert Versäumnisse der EU

Kos bedauerte, dass die EU-Erweiterung bisher nicht schneller vorangeschritten ist. "Ich halte es für einen der traurigsten Momente unserer Europäischen Union, dass wir - mit Ausnahme von Slowenien und Kroatien - nicht dem Modell folgen konnten, das in den 1980er und frühen 2000er-Jahren so erfolgreich war", sagte sie in Hinblick auf den Westbalkan. "Wir haben es versäumt, die glaubwürdige Aussicht auf eine EU-Mitgliedschaft als Instrument zu nutzen, um Versöhnung zu erreichen, diese Grenzen wieder aufzuheben und bilaterale Konflikte zu beseitigen."

Auch die Ukrainer zahlten den Preis dafür, "dass wir Grauzonen auf unserem Kontinent zugelassen haben", sagte sie in Hinblick auf Russlands Angriffskrieg. "Heute sehen wir, wie die Welle der Freiheit zurückgeht, und Europa läuft erneut Gefahr, zu einer von Autokratien umgebenen Insel zu werden", warnte Kos. Dabei sei die Situation gefährlicher als in den 1990er-Jahren. "Kräfte aus dem Inneren schwächen uns. Heute stehen wir Europäer vor denselben grundlegenden Fragen wie die Begründer des europäischen Integrationsprozesses: Wollen wir unser Schicksal selbst in die Hand nehmen und souverän über unsere eigene Zukunft entscheiden?"

"Europäische Integration heute verwirklichen, nicht morgen"

Die Kandidatenländer blickten auf die EU, um sich vor Angriffen Russlands zu schützen, sagte Kos. "Das können wir erreichen, indem wir die europäische Integration heute verwirklichen, nicht morgen." Der Krieg in der Ukraine habe begonnen, als sich Kiew Europa zuwandte, um seine Freiheit und Demokratie zu festigen. "Putin akzeptierte die Existenz der Ukraine, solange er ihre Führung kontrollieren konnte. Aber er konnte eine freie und demokratische Ukraine, die ihre unabhängige Zukunft aufbaute, nicht akzeptieren."

Europa sollte von diesen Entwicklungen lernen, sagte Kos. "Die Strategien für hybride Kriegsführung, die zuerst gegen die Demokratien der Ukraine und Moldau eingesetzt wurden, waren später auch in anderen Teilen Europas zu beobachten. Dieselben Social-Media-Konten, die in Moldau Desinformation verbreiteten, waren später während der Präsidentschaftswahlen in Rumänien und Polen aktiv." Bis 2027 würden die Ukraine und Moldau vollständig in den EU-Energiemarkt integriert sein, um sie vor russischer Energieerpressung zu schützen, sagte Kos.

Mit einer verstärkten europäischen Zusammenarbeit könne man gemeinsam "den Feinden der Freiheit begegnen". Sie sehe, wie Reformen in Montenegro, Albanien, der Ukraine und Moldau den Wandel vorantreiben, sagte Kos. "Und selbst in Serbien beschreitet eine junge Generation neue Wege, indem sie Rechenschaftspflicht, freie Meinungsäußerung und eine inklusive Demokratie fordert."

Dabei räumte Kos ein, dass eine künftige EU-Erweiterung um die beiden fortgeschrittenen Beitrittskandidaten Montenegro und Albanien auch scheitern könnte, etwa in Frankreich an einem Referendum oder einer Hürde in der Nationalversammlung. Dies gelte vor allem dann, wenn populistische Parteien an Einfluss gewinnen.

Meinl-Reisinger: Drei neue Bedrohungen

NEOS-Vorsitzende und Außenministerin Beate Meinl-Reisinger bezeichnete die EU-Erweiterung als wichtigstes geopolitisches Kapital, über das Europa verfüge. "Freiheit gehört denen, die bereit sind, dafür zu kämpfen", sagte Meinl-Reisinger. Dabei gerate diese Freiheit heute selbst im Herzen Europas selbst unter Beschuss. Meinl-Reisinger sieht insbesondere drei neue Bedrohungen. Erstens habe sich das Internet zum Schlachtfeld um Desinformation entwickelt. Zweitens sei mit der russischen Invasion in der Ukraine der Krieg nach Europa zurückgekehrt. Dieser Krieg sei nicht nur territorial, "sie kämpfen um die Seele Europas". Drittens gebe es die Bedrohung von innen durch Populisten, die ihre Politik auf Ängsten aufbauen, sich auf die Seite von Diktatoren stellen und Brüssel beschuldigen. "Ihr Ziel ist es nicht, Europa zu reformieren, sondern es zu zerstören."

Der NEOS-Delegationsleiter im Europaparlament, Helmut Brandstätter, bezeichnete die Lage in Europa als "wirklich ernst". Man habe es einerseits mit einem aggressiven Russland zu tun, andererseits "haben wir keinen Partner mehr auf der anderen Seite des Atlantik". US-Präsident Donald Trump helfe vielmehr der extremen Rechten, damit sie die Wahlen in Europa gewinne, um ein geeintes Europa zu verhindern. "Wenn wir es nicht schaffen, ein starkes Europa aufzubauen, wird auch Österreich darunter leiden", so Brandstätter.

(Quelle: APA)