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Neues EU-Sanktionspaket gegen Russland in Kraft

Die EU hat ein neues Sanktionspaket gegen Russland mit Exportbeschränkungen im Wert von mehr als elf Milliarden Euro in Kraft gesetzt. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach am Samstag von den "weitreichendsten Sanktionen aller Zeiten, die Russlands Kriegsarsenal dezimieren und tief in seine Wirtschaft eingreifen". Das am Freitagabend vereinbarte Paket wurde mit der Veröffentlichung im Amtsblatt der EU wirksam.

Zehntes Sanktionspaket seit Februar vergangenen Jahres
Zehntes Sanktionspaket seit Februar vergangenen Jahres

"Wir werden den Druck auf Russland weiter erhöhen - und zwar so lange wie nötig, bis die Ukraine von der brutalen russischen Aggression befreit ist", versprach der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. 121 Einzelpersonen und Institutionen sind betroffen, darunter auch iranische Drohnenhersteller. Dazu kommen 96 Unternehmen und Behörden, darunter auch drei weitere russische Banken.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj lobte das Paket als wichtigen Sdhritt. "Es ist kraftvoll, gegen die Militärindustrie und den Finanzsektor des Terrorstaates und gegen die Propagandisten gerichtet, die die russische Gesellschaft in Lügen ertränkt haben und versuchen, ihre Lügen auf der ganzen Welt zu verbreiten", sagte Selenskyj in seiner allabendlichen Videobotschaft. "Das wird ihnen definitiv nicht gelingen." Zugleich pochte der ukrainische Staatschef einmal mehr auf Strafmaßnahmen auch gegen Russlands Nuklearindustrie.

Am Abend wurden auch EU-Sanktionen gegen die Wagner-Gruppe bekannt. Elf Einzelpersonen und sieben Organisationen mit Verbindungen zur Wagner-Gruppe seien wegen "Menschenrechtsverletzungen" in der Zentralafrikanischen Republik, im Sudan und in Mali auf die Sanktionsliste gesetzt worden, hieß es am Samstag. Gegen die Söldnertruppe selbst, welche die russische Armee bei ihrem Angriffskrieg in der Ukraine unterstützt, hatte die EU bereits 2021 Sanktionen verhängt.

Vom zehnten Sanktionspaket sind erstmals auch sieben iranische Unternehmen betroffen, die Russland Kampfdrohnen für den Krieg in der Ukraine liefern. Das Exportverbot für sogenannte Dual-Use-Güter, die für zivile und militärische Zwecke genutzt werden können, nach Russland wird ausgeweitet. Neu auf der Liste stehen nun unter anderem Elektronik, Spezialfahrzeuge, Maschinenteile, Ersatzteile für Lastwagen und Triebwerke, Antennen, Kräne, Drohnen und Wärmebildkameras.

Auch die Liste der Menschen, die nicht mehr in die EU einreisen dürfen und deren Vermögen eingefroren wird, wird ergänzt. Wie Borrell mitteilte, sind nun auch Einzelpersonen betroffen, die für die völkerrechtswidrige "Deportation und Zwangsadoption von mindestens 6.000 ukrainischen Kindern" verantwortlich sind.

Der Einigung waren wochenlange Verhandlungen vorausgegangen, an deren Ende zuletzt nur noch Polen das Sanktionspaket blockierte. Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hatte das Paket noch am Freitag als "zu leicht und zu schwach" bezeichnet - am Abend gab es dann aber doch eine Einigung.

Konkret sind unter anderem weitere Exportverbote für industrielle Güter vorgesehen, die die russische Industrie nicht über Drittstaaten wie China beziehen kann. Dazu zählen Maschinenteile, Antennen, Kräne, Spezialfahrzeuge sowie Ersatzteile für Lkw und Triebwerke. Zudem soll es Exportrestriktionen für elektronische Bauteile geben, die für russische Waffensysteme sowie Drohnen, Raketen und Hubschrauber verwendet werden könnten. Auch bestimmte seltene Erden und Wärmebildkameras fallen unter die neuen Regeln. Nach Angaben der EU-Kommission hat die EU nun Exporte im Wert von insgesamt fast 44 Milliarden Euro beschränkt. Das entspricht fast der Hälfte aller Ausfuhren nach Russland im Jahr vor dem Krieg.

Hinzu kommen neue Importbeschränkungen im Wert von fast 1,3 Milliarden Euro etwa für synthetischen Kautschuk und Bitumen. Insgesamt sind nach Angaben der EU-Kommission nun Einfuhren im Wert von mehr als 90 Milliarden Euro von den Einfuhrbeschränkungen betroffen - rund 58 Prozent der Importe von 2021. Auch gegen Russlands Versorgung mit militärisch nutzbaren zivilen Gütern wie Drohnen soll weiter vorgegangen werden. So werden nach Angaben der EU-Kommission unter anderem sieben Unternehmen aus dem Iran sanktioniert, die an der Belieferung Russlands mit Drohnen vom Typ Shahed beteiligt sein sollen und Teile aus der EU nutzen.

Um gegen russische Propaganda vorzugehen, sollen außerdem die beiden Sender RT Arabic und Sputnik Arabic verboten werden. Zudem verhängt die EU Sanktionen gegen drei weitere Finanzinstitute. Mit Blick auf die mögliche Verwendung für den Wiederaufbau der Ukraine müssen künftig außerdem alle eingefrorenen Vermögenswerte der russischen Zentralbank sowie andere eingefrorene russische Vermögen in der EU gemeldet werden. Russen dürfen künftig zudem nicht mehr in Führungsgremien von Unternehmen in der EU sitzen, die für kritische Infrastruktur wie die Energieversorgung verantwortlich sind.

Um zu verhindern, dass Unternehmen aus Nicht-EU-Ländern militärisch nutzbare zivile Güter wie Drohnen an Russland liefern, wird die Anwendung des bestehenden Sanktionsregimes ausgeweitet. So sollen Firmen künftig fürchten müssen, den Zugang zum EU-Binnenmarkt zu verlieren.

Vor der Entscheidung der EU-Länder hatten am Jahrestag des russischen Überfalls auf die Ukraine bereits die USA und Großbritannien weitere Sanktionen gegen Moskau verkündet. Auch die G7-Staaten berieten auf einem Video-Gipfel über die Strafmaßnahmen. Dabei hätten die Staats- und Regierungschefs dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj "versichert, dass wir die Ukraine unterstützen werden, solange das nötig ist", sagte Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).