Das geht aus einem Reuters vorliegenden Entwurf hervor. Damit müsste die EU ihre Emissionen faktisch nur um 85 Prozent verringern. Zudem wird der Start des Emissionshandels für die Bereiche Verkehr und Gebäude um ein Jahr auf 2028 verschoben, da einige Länder Bedenken wegen steigender Benzin- und Heizkosten hatten.
Formeller Beschluss noch ausständig
Die Ministerrunde kam im Laufe des Vormittags in Brüssel erneut zusammen, um die Einigung formell zu beschließen. Einzelne Länder wie Polen und Ungarn hatten zwar Widerstand signalisiert, können die Vereinbarung jedoch nicht blockieren. Erforderlich ist die Unterstützung von mindestens 15 Mitgliedstaaten. "Wir glauben, dass wir die Grundlage für eine politische Einigung haben", erklärte der dänische Ratsvorsitz.
Ursprünglich hatte die EU-Kommission eine Emissionssenkung um 90 Prozent bei einem Anteil von maximal drei Prozent an Zertifikaten aus Drittstaaten vorgeschlagen. Dafür hatte sich bei Beginn der Beratungen am Dienstag auch Deutschlands Umweltminister Carsten Schneider eingesetzt. "Die drei Prozent internationale Gutschriften, das ist für uns das Maximum, was wir uns vorstellen können", sagte Schneider. "Wir wollen, dass die Investitionen in Klimaschutz in Europa stattfinden."
Frankreich und Polen befürworteten eine Abschwächung
Die Abschwächung des Klimaziels geht auf die Bedenken einiger Länder zurück, dass höhere Investitionen in Klimaschutz Wirtschaft und Verbraucher überforderten. Zudem gibt es angesichts des Ukraine-Kriegs neue Prioritäten wie den Hochlauf der Verteidigungsausgaben. Zusätzlich belasten Billigimporte aus China und die Zollpolitik der USA die Wirtschaft insgesamt. Frankreich und Portugal hatten gefordert, die Option zum Ankauf von Klimagutschriften aus Drittländern auf fünf Prozentpunkte zu erhöhen. Polen und Italien verlangten zehn Prozentpunkte.
Die EU stand unter Zeitdruck für ihr neues Klimaziel, um nicht mit leeren Händen zum Weltklimagipfel in Brasilien zu fahren. Dort trifft EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am 6. November andere Staats- und Regierungschefs. "Wir haben viel zu verlieren. Wir riskieren unsere internationale Führungsrolle, die in diesem außerordentlich komplizierten Kontext von grundlegender Bedeutung ist", hatte Spaniens Umweltministerin Sara Aagesen am Dienstag gesagt.
Zertifikatekauf statt Investitionen
Um Kritiker ambitionierter Klimaziele ins Boot zu holen, wird auch der neue EU-Emissionshandel ETS2 um ein Jahr auf 2028 verschoben. Polen und die Tschechische Republik befürchteten durch den neuen Handel für CO2-Verschmutzungsrechte in den Bereichen Verkehr und Gebäuden höhere Kraftstoffpreise.
Kritik an dem Klimaziel kam von Umwelt-NGOs und den Grünen im EU-Parlament. Die österreichische EU-Abgeordnete Lena Schilling sah in dem Kompromiss einen Entschluss mit "vielen Hintertüren", er werde "100 Milliarden an Steuergeldern für Verschmutzungszertifikate kosten", so Schilling weiter.
Global 2000 begrüßte zwar die Einigung, ortete jedoch beim Zertifikatshandel und der Zielabschwächung "mehr als nur einen fahlen Beigeschmack". "Mit internationalen Zertifikaten schiebt die Europäische Union die Verantwortung ins Ausland ab, statt die eigene Wirtschaft klimafit zu machen", hieß es von Greenpeace Österreich. Der WWF Österreich ortete in der Entscheidung "neue Einfallstore für Bremser und Blockierer, um echten Klimaschutz zu verhindern".
Klimawissenschaftsberater der EU hatten gewarnt, dass der Kauf ausländischer CO2-Zertifikate dringende Investitionen von der europäischen Industrie abziehen würde. Länder wie die Niederlande, Spanien und Schweden plädierten für ehrgeizige Ziele und verwiesen auf sich verschärfende Wetterextreme und die Notwendigkeit, bei grünen Technologien mit China gleichzuziehen.
(Quelle: APA/Reuters)

