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Flucht durch den Darién-Dschungel - eine der gefährlichsten Migrationsrouten der Welt

Eine der gefährlichsten Migrantenrouten der Welt verläuft durch den Darién-Urwald zwischen Kolumbien und Panama. Allein in diesem Jahr kämpften sich 100.000 Menschen durch das Gebiet.

Migranten überqueren den Acandí-Fluss auf ihrem Weg von Kolumbien nach Panama.
Migranten überqueren den Acandí-Fluss auf ihrem Weg von Kolumbien nach Panama.

Die Luftfeuchtigkeit ist hoch, die Berge sind unwegsam, die Sümpfe tief. Hier, im wohl dichtesten Dschungel der Welt, sind wilde Tiere unterwegs - und zahlreiche Kriminelle. Seit jeher ist die Gegend am Rande der Karibik ein Ort des Handels jeglicher Art gewesen. Ein gefährlicher Ort.

"Die Grenze zwischen Panama und Kolumbien ist nicht für die Durchquerung ausgelegt", sagte die panamaische Außenministerin Erika Mouynes in einem Interview der Zeitung "El País". "Tapón del Darién" wird die Gegend genannt, der "Darién Gap" oder "Darién-Pfropfen". Dort ist das panamerikanische Schnellstraßensystem unterbrochen. Dennoch versuchen jedes Jahr Zehntausende Migranten, den Darién-Dschungel zu durchqueren - sie hoffen auf ein besseres Leben, in Mexiko etwa oder den USA.

Mahmoud Assis, 45, hat die Durchquerung des Darién-Dschungels in Richtung Norden hinter sich - und er hat sie überlebt. "Ich bin viel gelaufen, auf Berge gestiegen und auf Felsen geklettert, habe Flüsse überquert - und ich habe gesehen, wie viele Leute dort gestorben sind", sagt der Pakistaner während des Telefonats aus Bajo Chiquito in Panama.

Assis hat sich ein Mobiltelefon geliehen. Sein Handy, sein Geld, alle seine Sachen seien ihm bei einem bewaffneten Überfall im Dschungel gestohlen worden. Die Migranten sind leichte Opfer der Banden. "Was willst du tun? Du kannst nichts machen." Er habe nicht gewusst, dass der Weg in den Norden so schwierig werden würde. Vielen habe er davon abgeraten, nicht zuletzt seiner Familie: "Geht diesen Weg nicht! Das ist die schlechteste Idee. Es ist zu schwierig, zu gefährlich."

Einer seiner Freunde lebe inzwischen in Mexiko, berichtet Assis. Dieser habe ihm gesagt, dass er in einem Restaurant arbeite, wo gute Löhne gezahlt würden. Der Pakistaner will nun auch dorthin und Geld als Koch verdienen. Bis dahin sind es aber noch mehrere Tausend Kilometer.

Das Internationale Rote Kreuz bezeichnet den "Tapón del Darién" als eine der gefährlichsten Migrationsrouten der Welt. Wer sie absolviert habe, sei oft physisch und mental traumatisiert. "Viele der Frauen, die wir betreuen, wurden auf ihrem Weg sexuell missbraucht", sagt Marisol Quiceno. Quiceno ist verantwortlich für humanitäre Angelegenheiten bei Ärzte ohne Grenzen in Kolumbien.

Unfälle wegen des schwierigen Geländes und Gewalt gegen die Migranten führten dazu, dass viele zurückbleiben müssten, viele überlebten nicht. Migranten berichteten Ärzte ohne Grenzen, Weggefährten seien von Klippen gestürzt oder in Flüssen ertrunken, überall seien Leichen. Diejenigen, die durchkommen, sind oft dehydriert, haben Durchfall und so schwere Wunden, dass sie kaum weitergehen können.

Doch der "unmögliche Weg" zwischen Kolumbien und Panama, Süd- und Mittelamerika hat sich zu einer besonders frequentierten Route entwickelt. Im Jahr 2016 kamen rund 30.000 Menschen durch den Dschungel nach Panama - im laufenden Jahr sind es bereits mehr als 100.000 Migranten. Ähnlich viele Migranten wagen jedes Jahr den Weg über das Mittelmeer nach Europa.

Diejenigen, die die Migranten durch den Darién-Dschungel schleusen, seien wie an der Grenze zwischen Mexiko und den USA als "coyotes" bekannt, erklärt Ariel Ávila, Analyst für Sicherheit und öffentliche Ordnung in Kolumbien. Die Migranten warteten in Necoclí, Südamerikas Nadelöhr, oft Tage oder Wochen auf einen Platz auf einem Boot. Damit werden sie an die Grenze gebracht - dann beginnt die Route durch den Darién-Dschungel.

Der "amerikanische Traum" und die Folgen der Coronapandemie haben Zehntausende Menschen Richtung Norden getrieben. Viele der Migranten aus Haiti, aber auch aus Venezuela, Kuba, Afrika und Asien haben davor teilweise schon in Ländern wie Brasilien oder Chile gelebt und sind nun, wo die Lage für sie immer schwieriger geworden ist, aufgebrochen. Ihr Motto ist wie das von Assis: "Ich bin allein und verloren, habe nur die Hoffnung, dass alles gut geht."