Katar übt scharfe Kritik an israelischem Premier Netanyahu
Der katarische Ministerpräsident Scheich Mohammed bin Abdulrahman al-Thani hat dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu vorgeworfen, den Nahen Osten ins Chaos zu stürzen. Die ganze Golf-Region sei in Gefahr, sagte al-Thani am Mittwoch dem US-Sender CNN. Es werde eine Reaktion auf den israelischen Angriff vom Dienstag auf Doha geben. Die Antwort werde mit regionalen Partnern abgestimmt, und zwar bei einem Gipfel in nächster Zukunft.
BILD: SN/AP
Rauch steigt in Doha auf.
Bei dem israelischen Angriff verletzte katarische Polizisten befänden sich in einem kritischem Zustand, sagte al-Thani. Katar werde nun seine Rolle als Vermittler im Krieg überdenken. Netanyahu habe Katars Zeit vergeudet, indem er sich verhandlungsbereit gegeben habe.
Israelischer Premier fordert Golfstaat zu Ausweisung von Hamas-Führern auf
Netanyahu forderte den Golfstaat indes auf, Anführer der palästinensischen Terrororganisation Hamas auszuweisen. Er räumte damit indirekt ein, dass der von seiner Armee am Dienstag durchgeführte Angriff ein Fehlschlag gewesen ist. Dieser hatte nämlich Hamas-Anführern gegolten. Am Dienstag hatte er den Angriff "optimal und präzise" genannt.
US-Präsident Donald Trump hatte am Dienstag jegliche Beteiligung der USA an den Angriffen dementiert. Washington bedauere, dass der Angriff im verbündeten Staat Katar stattgefunden habe, teilte er mit. "Diese Entscheidung wurde von (Israels) Ministerpräsident (Benjamin) Netanyahu getroffen, nicht von mir", schrieb Trump in seinem Onlinedienst Truth Social. Katar sei ein "starker Verbündeter und Freund der USA" und er bedauere den "Ort des Angriffs" sehr, fügte der US-Präsident hinzu. Er ergänzte aber, die Bekämpfung der Hamas sei weiter ein "lohnendes Ziel".
Zuvor hatte bereits die Sprecherin des Weißen Hauses, Karoline Leavitt, erklärt, Trump sehe Katar "als starken Verbündeten und Freund der Vereinigten Staaten". Der Golfstaat habe sich gemeinsam mit den USA sehr engagiert und mutig für Frieden im Nahen Osten eingesetzt, der Luftangriff in der Hauptstadt Doha diene daher "weder Israels noch Amerikas Zielen".
Verteidigungsminister Katz rechtfertigt Angriff
Der israelische Verteidigungsminister Israel Katz hatte den Angriff auf die Führung der Hamas in Katar gerechtfertigt. Israel werde alle, die am Hamas-Massaker am 7. Oktober 2023 beteiligt waren, zur Rechenschaft ziehen, sagte Katz. "Israels Sicherheitspolitik ist klar: Israels langer Arm wird überall gegen seine Feinde vorgehen. Es gibt keinen Ort, an dem sie sich verstecken können."
Katar beschwert sich bei UNO über Israels Angriff
Katar wandte sich indes nach dem israelischen Angriff auf führende Hamas-Mitglieder in der Hauptstadt Doha mit deutlichen Worten an die Vereinten Nationen. In einem Schreiben an UNO-Generalsekretär António Guterres und die Mitglieder des UNO-Sicherheitsrats verurteilte Katar den Luftangriff vom Dienstag auf das Schärfste, wie das Außenministerium in Doha mitteilte. Es handle sich um einen "kriminellen Überfall" und einen "eklatanten Verstoß gegen alle internationalen Gesetze und Normen". Die Sicherheit der in Katar lebenden Menschen sei dabei massiv gefährdet worden.
Der UNO-Sicherheitsrat wollte sich am Donnerstag mit dem Fall befassen. Eine ursprünglich schon für Mittwoch (21.00 Uhr MESZ) angesetzte Dringlichkeitssitzung wurde um einen Tag verschoben, um die Teilnahme von Regierungschef Mohammed bin Abdulrahman Al-Thani zu ermöglichen. Unklar war zunächst, ob dieser persönlich oder per Videoschaltung an der Sitzung teilnehmen will.
Unterdessen werden einem Insider zufolge in Katar Solidaritätsbesuche von hochrangigen Regierungsvertretern aus der Region erwartet. Der Präsident der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Scheich Mohammed bin Zayed Al Nahyan, sei bereits angekommen, meldete die staatliche Nachrichtenagentur WAM. Im Laufe des Tages solle der jordanische Kronprinz Hussein eintreffen, sagte die mit dem Vorgang vertraute Person der Nachrichtenagentur Reuters. Der saudi-arabische Kronprinz Mohammed bin Salman werde am Donnerstag erwartet. Die Besuche seien vor dem Angriff nicht geplant gewesen.
Sechs Menschen getötet
Bei dem israelischen Überraschungsangriff waren am Dienstag nach Hamas-Angaben sechs Menschen ums Leben gekommen, darunter der Sohn des ranghöchsten Hamas-Anführers im Ausland, Khalil al-Hayya, sowie dessen Büroleiter. Al-Hayya ist der höchste Hamas-Führer im Ausland, der auch die Hamas-Delegation bei den indirekten Verhandlungen mit Israel um eine Waffenruhe leitet. Al-Hayya hielt sich die meiste Zeit in Katar auf. Andere höhere Hamas-Funktionäre im Ausland leben ebenfalls zumeist in Katar oder in der Türkei. Israel hatte zuletzt mit Angriffen auf Hamas-Führer im Ausland gedroht.
Der türkische Geheimdienst MIT nahm einem Medienbericht zufolge für sich in Anspruch, durch eine rechtzeitige Information an Hamas-Vertreter ein "Massaker" verhindert zu haben. Hamas-Vertreter sagten der regierungsnahen Zeitung "Türkiye", der MIT habe das Verhandlungsteam vor dem Angriff informiert und die Sicherheitsprotokolle seien verschärft worden. Ein Spezialteam habe den Flugverlauf der israelischen Flieger überwacht. Die Hamas hatte den Angriff bereits am Dienstag als "gescheitert" bezeichnet, weil kein Mitglied des Verhandlungsteams dabei getötet worden sei.
Österreich "besorgt", Kritik aus Paris, Berlin und London
Das Außenministerium in Wien zeigte sich auf X und Bluesky "zutiefst besorgt". Diese Attacken "verletzen die territoriale Integrität und Souveränität von Katar". "Sie gefährden die Geiseln und untergraben die Verhandlungen über einen dringend notwendigen Waffenstillstand in Gaza. Wir rufen alle dazu auf, von weiteren Maßnahmen abzusehen, die die regionale Stabilität gefährden", postete das Ministerium. Auch Außenministerin Beate Meinl-Reisinger (NEOS) verurteilte den israelischen Angriff und erinnerte an die Bemühungen Katars für die Geisel-Freilassung, darunter auch jene des österreichisch-israelischen Doppelstaatsbürgers Tal Shoham. "Jede diplomatische Anstrengung ist enorm wertvoll um Eskalationen zu verhindern! Der heutige Angriff Israels in Doha verletzt die territoriale Souveränität Katars und frustriert alle politischen und diplomatischen Anstrengungen für eine friedliche Zukunft in der Region", teilte sie am Dienstagabend auf X mit.
Der französische Präsident Emmanuel Macron kritisierte die israelischen Luftangriffe scharf. Diese seien "inakzeptabel, unabhängig vom Grund", schrieb Macron am Abend im Onlinedienst X. "Der Krieg darf sich in keinem Fall in der Region ausbreiten", betonte der französische Präsident und drückte seine "Solidarität mit Katar und seinem Emir, Scheich Tamim Al-Thani" aus. Deutschlands Bundeskanzler Friedrich Merz nannte die Verletzung der Souveränität und territorialen Integrität Katars in einem Telefonat mit dem Emir "nicht akzeptabel", wie Regierungssprecher Stefan Kornelius mitteilte.
Der britische Premierminister Keir Starmer äußerte sich ähnlich kritisch. "Ich verurteile die Angriffe Israels auf Doha", schrieb er auf X und fügte an: "Priorität müssen ein sofortiger Waffenstillstand, die Freilassung der Geiseln und eine massive Aufstockung der Hilfsleistungen für den Gazastreifen sein." Dies sei "die einzige Lösung für einen dauerhaften Frieden".