Der US-amerikanische Kardinal und Erzbischof von Chicago, Blase Cupich, legte einen 12-Punkte-Plan vor, der die bestehenden kirchenrechtlichen Normen in diesem Punkt ergänzen und verschärfen soll. Zugleich haben Bischöfe ihre Verantwortung bei der Unterschätzung des Ausmaßes von Kindesmissbrauch zugegeben. "Wir müssen bereuen und dies gemeinsam und kollegial tun. Denn auf dem Weg haben wir versagt. Wir müssen um Verzeihung bitten", sagte der indische Kardinal Oswald Gracias.
"Kein Bischof kann behaupten, das Problem des Kindesmissbrauchs in der Kirche betreffe ihn nicht. Jeder von uns ist für die ganze Kirche verantwortlich", so Gracias, der Erzbischof von Mumbai ist. Auch wenn die Missbrauchskrise besonders einige Teile der Weltkirche zu betreffen scheine, sei sie kein begrenztes Phänomen. Die gesamte Kirche müsse sich dem zuwenden und entschieden handeln, sagte Gracias in seinem Beitrag. Der indische Kirchenmann ist Mitglied des Kardinalsrat, der den Papst bei der Kurienreform unterstützt.
Der Präsident der Kommission der Bischofskonferenzen in der EU, der Luxemburger Erzbischof Jean-Claude Hollerich, ist der Ansicht, dass es zu einer Anzeigepflicht für Bischöfe bei Kindesmissbrauch kommen müsse. "Wenn es Übel in der Kirche gibt, muss man die zuständigen Justizbehörden informieren", so Hollerich im Gespräch mit Journalisten am Rande des Kindesmissbrauchgipfels im Vatikan.
Die Kirche dürfe Missbrauchsfälle nicht mehr verheimlichen. Kirchenmänner, die sich für Missbrauch verantwortlich machten, sollten laisiert werden, meinte der Erzbischof. Er lobte die Arbeit der Medien bei der Entlarvung von Kindesmissbrauch. "Einige Bischöfe behaupten, dass die Medien die Kirche angreifen. Das stimmt nicht. Wenn man davon spricht, ist es für die Kirche nur gut", so der Luxemburger.
Cupich beklagte die "Blindheit" der Kirche vor dem Ausmaß und den Schäden von Kindesmissbrauch. Die Kirche müsse die "klerikale Kultur" ablehnen, die so oft Missbrauch begünstigt habe, so Cupich. "Wir müssen ohne zu zögern Laien ausführlich in alle Anstrengungen zur Bildung und zum Aufbau von Strukturen der Rechenschaft einbeziehen", sagte der Erzbischof, der zu den Mitgliedern des Organisationskomitees des Kongresses gehört. Nur gemeinsam, in bischöflicher Kollegialität, könne man die Verantwortlichkeit und Rechenschaft sicher stellen. Die Geschichte der vergangenen Jahrzehnte zeige, dass die Perspektive von Missbrauchsopfern kein Angriff auf die Kirche sei, sondern eine Hilfe beim Erkennen der Tragödie und beim Aufbau von neuen Strukturen.
Der Vatikan will in naher Zukunft über die Zahl aller Geistlichen informieren, die wegen sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen kirchenrechtlich bestraft wurden. Dies kündigte der Chefermittler des Papstes für Sexualstraftaten, Erzbischof Charles Scicluna, laut Kathpress an. Die Römische Glaubenskongregation, bei der seit knapp 20 Jahren alle Fälle von sexuellem Missbrauch durch katholische Geistliche gerichtlich verhandelt werden, arbeite an der Erfassung und Herausgabe der entsprechenden statistischen Daten, erklärte er.
An dem viertägigen Anti-Missbrauchsgipfel, der am Donnerstag im Vatikan begonnen hat und bis Sonntag läuft, beteiligen sich 190 offizielle Teilnehmer. Österreich wird durch Kardinal Christoph Schönborn in Rom vertreten. Abstimmungen oder Beschlüsse über Papiere sind nicht vorgesehen. Papst Franziskus wird am Sonntagvormittag zum Abschluss der Messe eine zusammenfassende Ansprache halten.
Der Skandal des Kindesmissbrauchs in der katholischen Kirche könne nur durch eine synodale, also gemeinsame Antwort der Bischöfe, ernsthaft bekämpft werden. Das betonte Kardinal Christoph Schönborn laut Kathpress am Rande der Kinderschutz-Konferenz im Vatikan am Freitag gegenüber "Vatican News". "Für mich ist diese Begegnung, zu der der Papst alle Präsidenten der Bischofskonferenzen eingeladen hat, vor allem eine Erfahrung der Synodalität. Das Thema des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen ist ein Schock, ein Skandal, eine große Erschütterung der Kirche", so der Vorsitzende der Österreichischen Bischofskonferenz.
Der Papst habe die Spitzen der Bischofskonferenzen weltweit zu dem aktuellen Treffen zusammengerufen, um sicherzugehen, dass das Bewusstsein für die Dringlichkeit und Gewichtigkeit des Problems von Kindesmissbrauch bis auf die Ebene der einzelnen Ortskirchen durchdringe, zeigt sich der Wiener Kardinal überzeugt. Es gelte ein gemeinsames Bewusstsein zu erreichen, aber auch gemeinsam aufeinander zu hören und miteinander über einen gemeinsamen Weg zur Lösung des Problems nachzudenken.
Die intensive mediale Berichterstattung über die Thematik solle nicht als "Kampagne" missverstanden werden, führte der Kardinal weiter aus. Er selbst interpretiere die aktuelle "intensive Welle der Beschäftigung" mit dem Missbrauch in der Kirche "nicht primär als einen Angriff auf die Kirche, sondern als den - vielleicht auch etwas paradoxen - Ausdruck einer Sehnsucht, dass die Kirche doch das sein sollte, was sie eigentlich ist, und was sie in vielen Gemeinden und Gemeinschaften auch tatsächlich ist: Nämlich eine Gemeinschaft der Hingabe für die Menschen, eine Gemeinschaft von Solidarität, in der Großes geschieht gerade für Menschen, die in Bedrängnis, Not und Armut sind."
Die Öffentlichmachung von Missbrauch solle daher nicht primär als ein Angriff verstanden werden, sondern eher als ein "Aufruf an die Kirche: 'Seid, was ihr seid, die Welt erwartet das von euch!' Und in diesem Sinn kann ich in diesen sehr schmerzlichen Offenlegungen dieses unseres kirchlichen Versagens auch etwas Positives sehen."