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Knappes Rennen bei Parlamentswahl in Norwegen erwartet

Rund vier Millionen Norwegerinnen und Norweger sind am kommenden Montag (8. September) dazu aufgerufen, ein neues Parlament (Storting) zu wählen. Im Wesentlichen geht es darum, ob der sozialdemokratische Ministerpräsident Jonas Gahr Störe für weitere vier Jahre regieren soll, oder ob das Pendel in dem skandinavischen Land diesmal wieder nach rechts ausschlägt. Aktuelle Umfragen deuten auf eine knappe Entscheidung hin.

Norwegens Ministerpräsiddent Jonas Gahr Störe
Norwegens Ministerpräsiddent Jonas Gahr Störe

Derzeit wird Norwegen von einem sozialdemokratischen Minderheitskabinett regiert, das von den Sozialliberalen, der "roten" Linkspartei, der Zentrumspartei und den Grünen toleriert wird. Bis Anfang des Jahres bestand die Regierung aus einer Koalition mit der Zentrumspartei. Letztere schied wegen Meinungsverschiedenheiten über die Übernahme mehrerer energiepolitischer EU-Direktiven aus, entschied sich aber, die Regierung Gahr Störes weiter zu unterstützen. Im Rahmen der folgenden Regierungsumbildung kehrte der Ex-NATO-Generalsekretär und ehemalige Ministerpräsident Jens Stoltenberg als Finanzminister in die Regierung zurück.

Zwei Gegenspielerinnen

Die Gegenspielerinnen Gahr Störes sind die frühere Regierungschefin Erna Solberg von der konservativen Høyre-Partei und die Chefin der rechtspopulistischen Fortschrittspartei, Sylvi Listhaug. Während erstere sich offiziell zur Kandidatin für das Amt der Regierungschefin erklärt hat, können Listhaug und ihre Partei mit wesentlich mehr Stimmen auf der rechten Seite des politischen Spektrums rechnen. Umfragen sagen der Fortschrittspartei rund 21 Prozent voraus - gegenüber 15 Prozent für Høyre. Dennoch gehen Beobachter davon aus, dass im Falle eines rechten Wahlsieges vermutlich die erfahrenere und international unumstrittene Solberg Regierungschefin wird. Zum Rechtsblock zählen außerdem die liberale Venstre und die Christliche Volkspartei.

Die sozialdemokratische Arbeiterpartei kann bei der Wahl indes mit rund 26 Prozent der Stimmen rechnen. Ein Ergebnis, mit dem sie wieder zur stärkste Fraktion im 169 Sitze zählenden Storting würde. Als entscheidend, wer nach der Wahl an der Spitze einer Regierung in Oslo stehen wird, gilt aber, welcher der beiden Blöcke am Ende des Tages die meisten Stimmen auf sich vereinen kann. Hier gehen die Umfragen von einem eher knappen Rennen aus.

Leichte Vorteile für Regierungslager

Leichte Vorteile ergeben sich jedoch für Gahr Störe, nicht zuletzt wegen des jüngst gemessenen Stimmungshochs für die Umweltpartei Die Grünen. Die Grünen können demnach mit bis zu sieben Prozent der Stimmen rechnen und wären damit ein gewichtiger Faktor in einer möglichen Koalition mit der Arbeiterpartei, den Sozialliberalen und der linken "Rot"-Partei. Hier wird spekuliert, dass die Grünen eine Unterstützung Gahr Störes mit weitreichenden umweltpolitischen Forderungen verknüpfen könnte.

Im Wahlkampf spielten unter anderem das Gesundheitssystem, verschiedene energiepolitische Fragen, Norwegens Verhältnis zur EU sowie die Außenpolitik im Hinblick auf Norwegens Haltung im Ukraine- und im Gaza-Krieg eine Rolle. Während die Parteien des Rechtsblocks für eine stärkere Privatisierung im Gesundheitssektor eintreten, stemmen sich die linken Parteien dagegen. In der Energiepolitik sind die Grünen die treibende Kraft, wenn es um eine Abkehr von fossiler Energie, vor allem um die lukrative Ausbeutung der norwegischen Erdölreserven geht. Weitere Themen waren eine von den rechten Parteien geforderte Senkung der Vermögenssteuer sowie ethische Fragen, darunter die nicht von allen gutgeheißene Förderung von LGBTQ-Interessen.

EU polarisiert immer noch

Obwohl die norwegische Bevölkerung schon zweimal (1972 und 1994) einen Beitritt zur EU-abgelehnt hat, treten einige Parteien (Høyre, die liberale Venstre und die Grünen) für einen Beitritt Norwegens zur EU ein. Während sich die Arbeiterpartei alle Optionen offen hält, sind alle restlichen im Parlament vertretenen Parteien weiterhin strikt gegen eine EU-Mitgliedschaft. Norwegen ist als EWR-Mitglied ohnehin eng an die Union gebunden.

Als NATO-Mitglied hat Norwegen in der Vergangenheit die Ukraine bei der Abwehr der russischen Aggression mehrfach unterstützt, wobei das Ausmaß der Unterstützung unter den wahlwerbenden Parteien umstritten ist. Ähnliches gilt für den eher Israel-kritischen Kurs der Regierung im Hinblick auf den israelischen Angriff auf Gaza und den Rückzug des norwegischen (Öl-)Pensionsfonds aus bestimmten israelischen Unternehmen.

Eine Woche vor dem Wahltermin hatten rund eine halbe Million Menschen bereits ihre Stimme abgegeben.

(Von Andreas Stangl/APA)