"Ich nehme an, dass die amerikanische Seite das ansprechen wird", sagte Kurz. Österreich sei hier "nicht sonderlich betroffen". Es gebe einige Fälle, die Österreich "natürlich prüfen" werde. Trump hatte die europäischen Staaten aufgefordert, in Syrien gefangene IS-Kämpfer zurückzunehmen und widrigenfalls mit ihrer Freilassung gedroht.
"Ich glaube, auf einen Termin bei Donald Trump kann man sich nicht wirklich vorbereiten", sagte Kurz auf entsprechende Journalistenfragen. Gesprächspartner Trumps hätten nämlich berichtet, dass diese Gespräche "durchaus anders ablaufen", sagte Kurz in Anspielung auf die Natur des US-Präsidenten. "Ich lasse mich überraschen." Zugleich betonte der Kanzler, dass die zu besprechenden Fragen durchaus "ernst" seien und er sich inhaltlich darauf vorbereitet habe.
Nervös sei er nicht, sagte er auf eine entsprechende Frage, "aber es ist natürlich ein interessanter Termin, das gebe ich schon zu". "Ich durfte bisher viel erleben, aber ein Gespräch mit einem amerikanischen Präsidenten ist natürlich immer etwas Besonderes".
Der Kanzler wies auch darauf hin, dass Österreich traditionell ein gutes Verhältnis zu Russland habe. Deshalb sei es gut, dass es nun auch einen Kontakt zu den USA gebe, die der zweitwichtigste Handelspartner Österreichs seien. Hauptanliegen der US-Reise sei, dazu beizutragen, "dass der Handelskrieg zwischen Europa und den USA nicht immer mehr an Dynamik aufnimmt."
Kurz bekräftigte auch die Differenzen mit den USA in Sachen Iran-Atomdeal, aus dem sich Washington zurückgezogen hat. "Hier haben wir eine ganz andere Position als die USA. Wir stehen zum Deal mit dem Iran", weil er das iranische Atomprogramm kontrolliere. "Das erhöht die Sicherheit für uns alle". Der Kanzler fügte hinzu, dass es "keine Toleranz" geben dürfe, wenn die Sicherheit Israels infrage gestellt werde.
Kurz habe sich vor seinem Treffen mit US-Präsident Donald Trump auch mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker abgestimmt. Er habe am Montag mit Juncker telefoniert, um sich über "Handelsfragen auszutauschen". Gemeinsames Ziel sei es, einen Handelskrieg zwischen den USA und der EU zu vermeiden. Kurz hatte Handelsfragen, in denen die EU-Kommission für die 28 Mitgliedsstaaten verhandelt, als wichtigstes Anliegen seines Besuchs in den USA bezeichnet.
Trump hat den EU-Staaten mit der Verhängung von Strafzöllen gegen die Stahl- und Autoindustrie gedroht, sollten sie ihre Märkte nicht öffnen. Im vergangenen Juli gelang es Juncker, den Konflikt vorerst zu beruhigen, indem die EU den USA den Ankauf von Sojabohnen und Gas versprach. In den vergangenen Monaten sind die Handelsgespräche aber wieder ins Stocken geraten, weil die US-Seite vehement auf eine Öffnung der europäischen Agrarmärkte drängt, was die EU mit Blick auf höhere Schutzniveaus zurückweist.
Vor dem Abflug in Wien-Schwechat wurde Kurz nicht nur von der großen Journalistendelegation in Beschlag genommen, sondern musste auch Selfie-Wünsche amerikanischer Touristen erfüllen. Kurz wurde am Dienstagnachmittag in Washington erwartet, wo als erster Programmpunkt ein Abendessen mit US-Außenminister Mike Pompeo stattfinden sollte. Das Treffen mit Trump ist für Mittwochnachmittag angesetzt.
Trump bekam indes am Vortag seines Treffens mit Kurz wenig schmeichelhafte Post aus Wien. SPÖ-Abgeordneter Hannes Jarolim hat Trump in einem am Dienstag übermittelten Brief "Unkenntnis", "Intoleranz", "plumpe sexistische Äußerungen" und "Kriegstreiberei" vorgeworfen.
Jarolim lobte in seinem Brief die deutsche Kanzlerin Angela Merkel sowie frühere US-Präsidenten beider Parteien, die Verständnis für das weltweite Geschehen "und Leadership für die Zukunft unseres Planeten" gezeigt hätten. "Irritierend im Vergleich zu diesen großartigen Persönlichkeiten ist das erschreckende Bild, welches Sie in der kurzen Zeit Ihres Wirkens einer teils belustigten, teils entsetzten Weltgemeinschaft geliefert haben."
Konkret kritisierte Jarolim die "immer wieder an den Tag gelegte Unkenntnis über wesentliche globale Umstände und Entwicklungen" und dessen "Intoleranz" gegenüber eigenen Beratern, "welche Sie immer wieder auf derbe Art - wie Sie zu sagen pflegen - "feuern"".
"Umweltgefährdung und Kriegstreiberei sind jene Gefahren, von welchen wir glaubten, Sie bereits hinter uns gebracht zu haben, nun sind sie dank Ihres Wirkens zurückgekehrt", monierte der SPÖ-Justizsprecher in dem in Kopie an US-Botschafter Trevor Traina ergangenen Brief.
"Zuletzt haben wir in Österreich vernommen, dass Sie einem Besuch unseres Bundeskanzlers Sebastian Kurz für die Dauer von 15 Minuten zur umfassenden Klärung der Weltlage entgegensehen", schrieb Jarolim, der zugleich die Frage stellte, "welche Erkenntnisse von solch einem 'intensiven' Gedankenaustausch zu erwarten sind". Mit Blick auf die Migrationspolitik des Kanzlers meinte der Oppositionsabgeordnete, dass Kurz "sicher auch dem von Ihnen geplanten Mauerbau an der mexikanischen Grenze Vieles abgewinnen" könne.
Kurz hatte nach dem Amtsantritt Trumps wie viele europäische Politiker scharfe Kritik an dem US-Präsidenten geübt. Im Vorfeld des Empfangs im Weißen Haus schien er sich aber mit kritischen Äußerungen zurückzuhalten. Sein Treffen mit dem umstrittenen Politiker verteidigte Kurz unter Verweis auf die politische Bedeutung des US-Präsidenten. In einem Zeitungsinterview attestierte der Kanzler am Wochenende Trump auch eine "zum Teil sehr erfolgreiche Außenpolitik", wobei er dessen mit Drohungen erreichte Aufstockung der Verteidigungsbudgets der NATO-Staaten nannte. Kurz fügte hinzu, dass Österreich dies als neutrales Land kritisch sehe. Zugleich äußerte er Kritik an Trumps Handelspolitik und hob die Differenzen in der Frage des Iran-Atomdeals hervor.