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#merkelstreichelt - "Shitstorm" gegen deutsche Kanzlerin

Selten hat ein Dialog der deutschen Regierungschefin Angela Merkel mit Bürgern so viel Aufsehen erregt wie nun ein Gespräch mit Schülern in Rostock im ostdeutschen Bundesland Mecklenburg-Vorpommern. Nach einem umstrittenen Auftritt, bei dem Merkel ein Flüchtlingsmädchen zum Weinen brachte, schossen sich Kritiker unter der Twitter-Losung "#merkelstreichelt" auf die deutsche Kanzlerin ein.

#merkelstreichelt - "Shitstorm" gegen deutsche Kanzlerin
#merkelstreichelt - "Shitstorm" gegen deutsche Kanzlerin

Die Sechstklässlerin Reem hatte während einer von der deutschen Regierung initiierten Dialogveranstaltung am Mittwoch über die Belastungen während des Asylverfahrens berichtet. Jüngst sei die Familie kurz vor der Abschiebung gestanden und habe nun nur eine vorläufige Aufenthaltsgenehmigung, erzählte das Mädchen.

Die Kanzlerin, die als die mächtigste Frau der Welt gilt, machte deutlich, dass sie für das Mädchen nicht mehr tun kann. Merkel sprach über die Anstrengungen ihrer Regierung, das Flüchtlingsproblem in den Griff zu bekommen. "Das ist manchmal auch hart - Politik", sagt Merkel. Sie machte deutlich, dass Deutschland nicht alle Menschen aufnehmen könne, die sich hier ein besseres Leben erhofften. Daraufhin brach das Kind in Tränen aus. Merkel versuchte, das Mädchen zu trösten.

"Du bist ein unheimlich sympathischer Mensch", sagt Merkel. Aber Reem wisse halt auch, dass in den palästinensischen Lagern im Libanon noch Abertausende Flüchtlinge sitzen. Deutschland könne es nicht schaffen, allen Flüchtlingen im Nahen Osten oder denen in Afrika zuzurufen: "Ihr könnt alle kommen."

Aus Politik und Medien kamen daraufhin harte Reaktionen. "Die Fehler der Bundesregierung in der Flüchtlingspolitik kann man nicht wegstreicheln", schrieb etwa die Bundestags-Fraktionsvorsitzende der deutschen Grünen, Katrin Göring-Eckardt, am Donnerstag.

Der österreichische Europaabgeordnete Michel Reimon (Grüne) verglich Merkels Auftritt mit der Griechenland-Politik ihres Finanzministers Wolfgang Schäuble. "Schäuble war als hartherzigster Deutscher nur ziemlich kurz in Führung", schrieb er auf dem Kurznachrichtendienst.

Der prominente deutsche Komödiant Jan Böhmermann listete fünf Dinge, die empathischer wirkten als Merkel: "Stromkasten, Industrieroboter, Melone, Pürierstab, Klappmesser". "Und setzte hinzu: Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist, dass die Kanzlerin jetzt mit den Menschen reden muss."

Andere äußerten hingegen Verständnis für das Vorgehen der deutschen Kanzlerin: "Jetzt wischt Euch mal den Schaum vom Mund, die Ihr bei #merkelstreichelt von 'Ekel' u.ä. sprecht. In der Situation konnte sie nur verlieren", schrieb der Journalist Udo Stiehl.

Ein deutscher Regierungssprecher wies darauf hin, dass die Regierung in Berlin schon im Dezember 2014 ein neues Gesetz auf den Weg gebracht habe, damit Menschen, die bisher einen unsicheren Aufenthaltsstatus hatten und die sich erfolgreich integriert haben, ein Bleiberecht für ein Leben in Deutschland erhalten. "Gerade für gut integrierte Jugendliche und Heranwachsende bedeutet dies: Schon bei vier Jahren erfolgreichen Schulbesuchs in Deutschland bestehen künftig gute Aussichten auf ein Bleiberecht."

Die umfassende Reform des Aufenthaltsgesetzes hatte am Freitag den Bundesrat passiert. Das Gesetz muss noch vom Bundespräsidenten unterschrieben werden, um in Kraft zu treten. Nach Schätzungen der Regierung könnten mehrere zehntausend Menschen von der neuen Regelung profitieren.