Die noch 20 überlebenden Hamas-Geiseln kamen nach über zwei Jahren frei. Fast 2.000 Palästinenser wurden aus israelischen Gefängnissen entlassen und ins Westjordanland sowie in den Gazastreifen gebracht. Auf beiden Seiten gab es Jubel.
Auch Shafi erlebte den gestrigen Tag mit Freunde und Erleichterung. Zwar hätte mit dem Waffenstillstand "der Völkermord vorerst eine Ende genommen", sagte er. Er halte es allerdings für "sehr übertrieben", diesen Tag als "historisch" zu beschreiben.
Für den Botschafter geht es jetzt in erster Linie darum, kein Sicherheitsvakuum im Gazastreifen entstehen zu lassen. "Sonst wird Chaos und Anarchie herrschen", befürchtet er. Trumps Plan sieht vor, die Terrororganisation Hamas zu entwaffnen. Allerdings herrscht keine Klarheit, wann und an wen die Waffen übergeben werden sollen. "Bis das ausgehandelt wird, brauchen wir in Gaza eine Kraft, die für Ordnung sorgt", forderte Shafi im "Morgenjournal".
Zwei-Staaten-Lösung ist Grundlage für Frieden
Als Grundlage für einen nachhaltigen Frieden im Nahen Osten sieht der Botschafter die Zwei-Staaten-Lösung: "Wenn wir, die Palästinenser, in Würde in unserem eigenen Staat, leben können." Klarheit darüber, dass die Zwei-Staaten-Lösung tatsächlich umgesetzt wird, sei auch für viele arabische Staaten Voraussetzung für ihre finanzielle Unterstützung für den Wiederaufbau des Gazastreifens. Dieser soll laut Schätzungen des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP) rund 70 Milliarden Dollar (60,51 Mrd. Euro) kosten.
Es brauche dauerhafte Garantien für die Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts, betonte Shafi: "Weil die Erfahrung der letzten 20 Jahre gezeigt hat, dass alle paar Jahre wieder Krieg im Gebiet herrscht und alles wieder zerstört wird."
Der Gazastreifen sei zu fast 90 Prozent zerstört. Mindestens 55 Millionen Tonnen Schutt müssen laut UNDP abtransportiert werden. Allein die Beseitigung der Trümmer der bombardierten Gebäude werde etwa fünf Jahre dauern, schätzt Shafi. Derzeit gebe es Mangel "an jeder Ecke". Aktuell gehe es darum "das Notwendigste" bereitzustellen, "damit die Menschen halbwegs überleben können": ein Dach über dem Kopf, Wasser, Nahrung, Strom und ein funktionelles Gesundheitssystem.
Diakonie weitet Hilfsmaßnahmen im Gazastreifen aus
Die Diakonie weitet nach dem vereinbarten Waffenstillstand zwischen Israel und der radikal-islamischen Hamas ihre Hilfsmaßnahmen im Gazastreifen im Umfang von 840.000 Euro aus. Dies teilte die Hilfsorganisation am Dienstag mit. In den vergangenen Monaten hätten "viel zu wenige" Hilfsgüter die Menschen vor Ort erreicht, beklagte die NGO. Für Diakonie-Leiter Martin Keßler ist aus diesem Grund klar: "Die Öffnung der Grenzübergänge muss schnell erfolgen. Nur das kann die Einfuhr von ausreichenden humanitären Hilfsgütern gewährleisten, die dringend benötigt werden."
Aktuell seien Treibstoffknappheit, eingeschränkte Bewegungsfreiheit, zerstörte Infrastruktur und die emotionale Belastung für Familien und Jugendliche noch die "tägliche Realität", erklärte Mahmoud Dadah, Leiter der Diakonie-Partnerorganisation PAEEP (Palestine Association for Education and Environmental Protection). Für viele Menschen im Gazastreifen sei Frieden nach so langer Zeit des Krieges daher ein "abstrakter Begriff". Er sorge für "Skepsis und Ungläubigkeit", führte Dadah aus.
Zwar wächst laut dem PAEEP-Leiter eine vorsichtige, zurückhaltende Hoffnung. "Vor allem unter Jugendlichen", sagte er. Aber: "Diese Hoffnung muss beantwortet werden. Bisher hat sich kaum etwas verändert." Dadah und seine Wohltätigkeitsorganisation werden auf jeden Fall "auch bei der leisen und kontinuierlichen Arbeit des Wiederaufbaus" präsent sein und bleiben. Die 840.000 Euro der Diakonie sollen zu dem Angebot psychosozialer Hilfe im Gazastreifen beitragen. "Wir wollen die humanitäre Katastrophe schnell lindern, die aber nicht über Nacht verschwindet", betonte Keßler.