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Plakolm lobt serbische Justizreform als vorbildlich für EU

Serbien gilt vielen als Sorgenkind unter den EU-Beitrittskandidaten am Westbalkan, doch bei einem Belgrad-Besuch von Europaministerin Claudia Plakolm (ÖVP) am Donnerstag war davon wenig zu merken. Nach einem Gespräch mit ihrem serbischen Amtskollegen Nemanja Starović lobte Plakolm die jüngst beschlossene neue Justizverfassung des Landes als vorbildlich in Sachen Unabhängigkeit. Starović sagte, dass Serbien bis Ende 2026 den gesamten EU-Rechtsbestand umgesetzt haben werde.

Plakolm und serbischer Minister Starovi? verstanden sich gut
Plakolm und serbischer Minister Starovi? verstanden sich gut

"Jüngst wurden große Schritte gesetzt, über die fast niemand spricht", sagte Plakolm bei einem gemeinsamen Presseauftritt mit Starović mit Blick auf die beschlossene "modernste Justizverfassung". Diese mache Richter und Staatsanwälte zumindest auf dem Papier komplett unabhängig und sei damit "ein europäisches Referenzmodell für institutionelle Unabhängigkeit".

Mit der Justizreform will Serbien die seit Jahren bestehenden Widerstände bei der Eröffnung von Kapitel 3 in den Beitrittsgesprächen (Dienstleistungsfreiheit) überwinden. Der Beschluss findet auch vor dem Hintergrund der monatelangen Anti-Regierungs-Proteste wegen der verbreiteten Korruption im Land statt. So sorgt für Empörung, dass es immer noch keine Verurteilung wegen des tödlichen Einsturzes des Bahnhofvordachs in Novi Sad im November 2024 gegeben hat.

"Wollen Serbien am Tisch des Rates sitzen sehen"

"Wir als Österreicher wollen die Serben am Tisch des Europäischen Rates sitzen sehen", betonte Plakolm, die in Belgrad auch von Parlamentspräsidentin und Ex-Regierungschefin Ana Brnabić empfangen wurde. Mit Blick etwa auf die enge Kooperation im Migrationsbereich wies sie darauf hin, dass man den europäischen Weg Serbiens vorantreiben müsse, um das ganze Potenzial auch der bilateralen Zusammenarbeit zwischen Wien und Belgrad nutzen zu können. "Deshalb müssen beide Seiten etwas bringen, was Reformen und das Bekenntnis zu europäischen Werten betrifft." Österreich unterstütze das Zurückdrängen des nationalen Vetorechts in den Beitrittsverhandlungen, weil dies ein Schritt dazu sei, "schneller Verhandlungskapitel zu eröffnen statt die erforderlichen Reformen in Serbien zu blockieren".

"Wir sind uns dessen bewusst, dass noch ein langer Weg vor uns liegt", sagte Starović. In Anspielung auf den Kosovo-Konflikt wies er darauf hin, dass Serbien das einzige Land auf dem Westbalkan sei, "dessen eigene territoriale Integrität herausgefordert wird". Die aktuelle Regierung sei dem Ziel einer EU-Vollmitgliedschaft "verpflichtet", führe zahlreiche Reformen durch und wolle dutzende Gesetze und Verordnungen im Parlament beschließen lassen, um das innerstaatliche Recht an jenes der EU anzugleichen. "Unsere Absicht ist, den Acquis communautaire (gemeinsamer EU-Rechtsbestand, Anm.) bis Ende 2026 komplett anzuwenden", sagte er.

Treffen mit österreichischen Polizisten im Grenzeinsatz

Plakolm traf in Belgrad auch österreichische Polizisten, die an der serbisch-nordmazedonischen Grenze im Assistenzeinsatz sind. Mit mehreren Wärmebildkameras und Drohnen versuchen sie dort illegale Migranten zu entdecken, die dann von der serbischen Polizei aufgegriffen und in Aufnahmelager gebracht werden. Vor zwei Jahren hat Serbien rund 1.000 Beamte für einen Sondereinsatz gegen Schlepperkriminalität mobilisiert und die Zahl der Aufgriffe von 67.529 im Jahr 2023 auf 6.193 im Vorjahr senken können, für heuer wird eine ähnliche Zahl erwartet.

Starović hatte seine Amtskollegin bereits am Mittwochnachmittag in Belgrad empfangen. Am Abend richtete er für sie ein Abendessen in Novi Sad aus, der Hochburg der seit fast einem Jahr andauernden Anti-Regierungs-Proteste. Anfang November jährt sich der tödliche Einsturz des Bahnhofvordachs in der nordserbischen Stadt mit 16 Toten zum ersten Mal. Die von Studenten angeführte Protestbewegung macht die Regierung unter Präsident Aleksandar Vučić für die Tragödie verantwortlich und sieht sie als Beleg für die strukturelle Korruption im Land.

Ministerin noch am Donnerstag in Sarajevo erwartet

Belgrad ist die vorletzte Station der Westbalkan-Reise Plakolms, die am Donnerstagnachmittag in der bosnischen Hauptstadt Sarajevo erwartet wurde. Die Europaministerin wird damit innerhalb von sechs Tagen alle sechs Beitrittskandidatenländer in der Region besucht haben. Seit Sonntag war sie in Nordmazedonien, dem Kosovo, Montenegro, Albanien und Serbien gewesen.