Viele Hürden, viel Gegenwind: Vier Frauen erzählen, wie sie in der Politik Karriere gemacht haben
Auf Gruppenfotos sind Politikerinnen und Diplomatinnen immer noch selten. Hier berichten vier, was ihnen auf dem Weg nach oben passiert ist.


Woran merkt man, dass Frauen und Männer in der Politik nicht gleichberechtigt sind? Puh, wo soll ich da anfangen? Als Politikerin wird man oft aufs Aussehen reduziert. Nach einer Rede geht es dann nicht um den Inhalt, sondern es wird gesagt: "Ma, heute hast aber ein hübsches Kleid an!" Dagegen würde man ja nie zu einem Politiker sagen: "Mein Gott, die Anzughose sieht aber Hammer aus."
Wenn Politikerinnen reden, sei es im Plenum oder im Ausschuss, ist es oft etwas lauter, es wird nicht richtig zugehört. Wenn Frauen sich für Themenfelder einsetzen, die nicht als "typisch weiblich" gesehen werden, ist das immer noch eine Sensation. Ich bin zum Beispiel die einzige Frau im Innenausschuss. Das ist leider für viele noch etwas Besonderes.
Im Juni 2021 kam mein Sohn auf die Welt. In Bayern gibt es aber keine Elternzeit für Abgeordnete. Das heißt, ich habe nach dem Mutterschutz - nach acht Wochen - wieder angefangen zu arbeiten. Für mich persönlich war das in Ordnung, ich wollte das. Aber es gibt vielleicht Landtagsabgeordnete, Frauen wie Männer, die gerne eine Elternzeit in Anspruch nehmen würden. Dafür setze ich mich ein, dass das künftig möglich wird.
Das erste Jahr meines Sohnes waren wir im Doppelpack unterwegs. Ich habe den Kleinen mitgenommen: ob im Innenausschuss oder bei der Ausschussfahrt. Ich habe an den Blicken der anderen gespürt, dass es etwas Neues war. Seit neun Jahren bin ich im Landtag und hatte nie erlebt, dass jemand - von einem Mann ganz zu schweigen - ein Baby regelmäßig im Ausschuss dabei hat. Bei den Rückmeldungen war alles dabei, von "Du machst das total toll" bis zu "Das arme Kind". Ich hatte kein Vorbild. Aber genau das braucht es.
Unter der Woche ist mein Mann (Danyal Bayaz, Finanzminister von Baden-Württemberg, ebenfalls bei den Grünen, Anm.) in Stuttgart und ich bin in München. Aufgrund unserer Wohnsituation übernehme ich im Moment einen Großteil der Sorgearbeit. Wir planen alles sehr lang im Voraus: Wer wann da ist, wer sich kümmert. Und ich muss klar sagen: Ohne die Großeltern würde es nicht gehen. Das gehört zur Wahrheit dazu. Gerade haben wir Landtagswahlkampf in Bayern, im Oktober wird gewählt, ich bin grüne Spitzenkandidatin. Wenn wir die Großeltern nicht hätten, die ab und zu den Kleinen von der Kita abholen oder ins Bett bringen, wenn ich einen Abendtermin habe, würde das nicht funktionieren. Ich weiß, das ist keine Selbstverständlichkeit. Viele Familien haben keine Großeltern in der Nähe.
Jetzt komme ich mit meinem politischen Hut: Deswegen brauchen wir ein System, das die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für alle möglich macht. Kinderbetreuungsangebote müssen ausgebaut werden. Auf die Kompetenz von Frauen können wir nicht verzichten.
Protokoll: Dorina Pascher
"Ich bin, was sie in Österreich eine Rabenmutter nennen"

Als ich meine vier Kinder bekommen habe, konnte ich jeweils nur vier Monate in Karenz gehen. Ab dem Zeitpunkt sind die Kinder mit dem Kindermädchen zu Hause geblieben. Einige Leute verstehen das nicht. Ich bin, was sie in Österreich eine Rabenmutter nennen. Das Wort habe ich erst hier kennengelernt. In Spanien ist total normal, was ich mache. Man muss eine Lösung finden. Ich sage nicht, dass das einfach ist. Ich verstehe sehr gut, dass sich nicht alle ein Kindermädchen leisten können. Deshalb ist es wichtig, dass es genügend Kinderbetreuungsplätze gibt. Jetzt können mehr Männer in Karenz gehen. Das hilft. Aber damit das System funktioniert, ist es sehr wichtig, dass Frauen Unterstützung bekommen, damit sie in ihrer Karriere nicht dafür bestraft werden, dass sie auch Kinder bekommen.
Seit ich meine diplomatische Karriere angetreten habe, hat sich unglaublich viel getan: Wir Frauen waren damals weniger als zehn Prozent an der diplomatischen Akademie, jetzt sind es 60 Prozent. Die Lage hat sich sehr verbessert. Aber zu warten, bis diese jungen Diplomatinnen nach oben kommen und die Zeit das ihre tut, genügt nicht. Man braucht gute Gesetze, politischen Willen und finanzielle Maßnahmen.
Es braucht finanzielle Unterstützung für die Zeit, in denen sich Frauen eben auch für eine Familiengründung entscheiden können. Es braucht Methoden, um diese Lücke zu füllen. Sie soll nicht dazu führen, dass die Frau danach aus dem Spiel ist. Und dafür braucht es Geld.
Es ist wichtig, dass die Gesellschaft das versteht und mithilft. Dass sie überzeugt ist, dass die Gleichbehandlung eine Sache von Gerechtigkeit ist. Sie muss verstehen, dass da keine Ideologie dahintersteht und keine Modeerscheinung, sondern schlicht der Wunsch, dass die Gesellschaft so repräsentiert wird, wie sie eben ist.
Und dazu brauchen wir auch die Hilfe der Männer. Ohne sie wird es nicht gehen. Es hat bei mir eine Zeit gedauert, bis ich verstanden habe: Man muss sich durchsetzen. Man muss aber auch lernen, auf kluge Weise zu reagieren. Viele Männer befürchten, dass Frauen jetzt übernehmen und ihnen alle Stellen wegnehmen. Das stimmt nicht. Das gilt es klarzustellen. Nicht zu aggressiv, aber sehr bestimmt. Nett, aber streng.
Protokoll: Gudrun Doringer
"Wenn sie es kann, warum solltest du es nicht können?"

Als ich in den 1970er-Jahren Studentin war, wurde mir klar, dass ich mir selbst eine gläserne Decke geschaffen hatte. Als ich mein Studium plante, dachte ich nicht daran, Anwältin zu werden. Aber warum eigentlich nicht? Mein Vater war Rechtsanwalt. Ich kannte viele andere Anwälte. Aber keiner dieser Anwälte war eine Frau.
Zum Glück hatte ich einen wunderbaren Professor, der mir die Augen öffnete. Er erzählte mir die Geschichte von Carla Hills, einer Anwältin, die gerade zur Kabinettsministerin ernannt worden war, die vierte Frau in der Geschichte der USA, die in das Kabinett eines Präsidenten berufen wurde. Mein Professor forderte mich heraus - wenn sie es kann, warum solltest du es dann nicht können? Mit dieser einfachen Frage veränderte er mein Leben.
Ich bin mir sicher, dass ich heute nicht bilaterale US-Botschafterin in Österreich wäre, wenn ich damals nicht die selbst geschaffene gläserne Decke durchbrochen und die Herausforderung, Jus zu studieren, angenommen hätte.
Neben der Ermutigung junger Frauen, ihre Zukunft nicht selbst einzuschränken, gibt es wichtige Schritte, die Gesellschaft und Unternehmen setzen können. Zugang zu Bildung, Chancengleichheit bei der Einstellung, gleicher Lohn für gleiche Arbeit und Zugang zu qualifizierter Kinderbetreuung sind einige davon.
Ob ich persönlich mit Stereotypen konfrontiert wurde? Absolut! Ich kenne keine Frau meiner Generation, die das nicht war. Ich erinnere mich noch an meinen ersten großen Auftrag als junge Anwältin. Mein Vorgesetzter hat mich gebeten, buchstäblich über Nacht eine Vereinbarung zu entwerfen. Als Belohnung durfte ich den Vertrag am nächsten Morgen persönlich dem Klienten präsentieren. Was für eine großartige Gelegenheit zu zeigen, was ich konnte. Leider war meine Begeisterung nur von kurzer Dauer. Als ich dem Mandanten den Vertrag vorlegte, konnte er sich nicht vorstellen, dass ich die Anwältin war, die das Dokument verfasst hatte. Stattdessen nahm er an, dass ich im Schreibbüro arbeitete. Glücklicherweise hatte ich großartige Freunde und Kollegen, die mit mir über die Absurdität des Ganzen lachten. Diese Unterstützung und Kollegialität waren der Schlüssel für mein berufliches Fortkommen und halfen, Dinge in der richtigen Perspektive zu halten.
Es gibt noch viel zu tun, aber ich freue mich, dass es in den vergangenen Jahrzehnten enorme Veränderungen gegeben hat. Viele Frauen haben hohe Positionen erreicht und können beitragen, den Weg für Mädchen und Frauen zu ebnen, die nachfolgen.
Heute können junge Frauen Anwältinnen und Botschafterinnen als Vorbild sehen. Sie können Ärztinnen, Wissenschafterinnen und Unternehmerinnen sehen. Und Frauen in politischen Führungspositionen und als Professorinnen, als Abenteurerinnen und Astronautinnen. Mit harter Arbeit und Entschlossenheit sind Mädchen und jungen Frauen keine Grenzen mehr gesetzt, solange sie selbst ihren Träumen keine Grenzen setzen.
Protokoll: Stephanie Pack-Homolka
"Ich habe im entscheidenden Moment Ja gesagt"

Ich bin ein sehr positiver und leistungsbereiter Mensch. Aber ich kann versichern: Es ist für Frauen auch heute noch härter, in der Politik Karriere zu machen, als für die überwiegende Anzahl von Männern. Das hat viele Gründe, einer ist, dass Verhandlungen noch immer nach männlichen Spielregeln geführt werden.
Wie Frauen erfolgreich sein können? Was mich betrifft, habe ich zu Aufgaben und Chancen Ja gesagt, mir etwas zugetraut. Frauen machen sich oft so klein, obwohl sie so viel können. Bei manchen Männern ist das ja oft genau umgekehrt. Mut ist keine schlechte Eigenschaft.
Außerdem geht es um Sichtbarkeit. Ich rate den Frauen, mit ihren Leistungen auch nach außen zu gehen, sie und sich darzustellen und damit Vorbilder zu schaffen, sich Verbündete zu suchen.
Dazu gehört auch, dass man mit den Menschen, mit denen man arbeitet, trotz Terminnot hin und wieder auf ein Glas Wein oder einen Kaffee geht. Tatsache ist, wir Frauen müssen auch die informelle Ebene beanspruchen, sonst bleiben auch dort die Männer wieder nur unter sich. Ein geändertes Zeitmanagement ist enorm wichtig.
In Brüssel wird während der Triloge (Verhandlungen zwischen Parlament, Kommission und Rat, Anm.) oft bis spät in die Nacht verhandelt. Wenn ich in einem Dossier Verhandlungsführerin bin, teile ich die Termine so ein, dass Frauen und Männer, die Kinder haben, das gut managen können. Führungspersönlichkeiten können das - nicht immer, aber doch oft - gestalten. Es ist eine Frage der Managementqualität.
Protokoll: Sylvia Wörgetter