"Wir haben uns zusammengerauft", sagte der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz. Das klingt eindeutig besser als: "Wir mussten nachgeben." Genau das aber geschah nach Ansicht der meisten Beobachter beim Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs in Brüssel. Scholz konnte nicht verhindern, dass ein Preiseingriff in den Markt kommt, ein Gaspreisdeckel "light", auch wenn er nach dem Gipfel betonte, es handle sich lediglich um eine Maßnahme gegen Spekulation.
Die Vorschlag der Kommission sieht eine Korrektur der Preise auf dem virtuellen Gashandelsplatz TTF vor, wenn sie in die Höhe schießen: Immer wenn der Preis einen definierten Korridor verlässt, wird gekappt.
Darüber hinaus erhält die Kommission den Auftrag, "dringend konkrete Entscheidungen" und eine Kosten-Nutzen-Analyse zum Iberischem Modell vorzulegen. "Gute Nachrichten" und ein "echter Fortschritt", seien das, wie Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer befand. Auch er wünscht sich dieses Modell. Spanien und Portugal wenden es bereits auf nationaler Ebene an. Es ist eine Kombination aus Gaspreisdeckel und Subvention. Für Gas zur Stromerzeugung wird nur noch ein bestimmter Preis bezahlt. Dadurch sinkt der Strompreis für die Endverbraucher. Die Differenz muss der Staat den Energieversorgern bezahlen.
Will man dieses Modell auf die gesamte EU übertragen, ist die Finanzierung eine der großen Fragen für die weniger wohlhabenden Staaten. Eine Reihe von ihnen fordert bereits eine neue, schuldenbasierte Finanzierung nach Vorbild des Corona-Wiederaufbaufonds. Das lehnen vor allem Deutschland und nördliche Länder ab.
Wie geht es nun weiter? Bereits am Dienstag machen sich die Energieminister, also die Fachleute, an die beschlussreife Ausarbeitung der Vorschläge. Endgültig zuschnüren wollen sie das Maßnahmenbündel bei einer weiteren Sitzung im November. Darin enthalten ist die verpflichtende Nachbarschaftshilfe im Fall der Gasknappheit in einem Land sowie der gemeinsame Gaseinkauf bis zu 15 Prozent der Speichermenge. Dazu dürfen sich Energieunternehmen auch zu Konsortien zusammenschließen. Hält der Fahrplan, könnte das Paket ab Mitte November in Kraft treten.
Der gemeinsame Gaseinkauf war der unstrittigste Punkt gewesen, zu dem sich auch Olaf Scholz von Anfang an bereit erklärt hatte. In fast allen anderen Punkten fand sich Deutschland in einer defensiven Rolle. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte Scholz vor einer "Isolation" gewarnt.
Es war für Scholz kein glückliches Timing, dass auch das Verhältnis mit China auf der Tagesordnung des Gipfels stand. Seine für kommende Woche geplante Reise nach Peking samt einer Wirtschaftsdelegation rief Sorge über einen Berliner Alleingang hervor. Grundsätzlich warnten mehrere Staatschefs vor einer nächsten Abhängigkeit: Statt von Russland nun von China. Dabei sei Peking ein "strategischer Rivale". Scholz betonte, niemand habe eine "Abkopplung von China" gefordert. Man dürfe nur nicht "alle Eier in einen Korb legen".
Im übrigen habe er beim Gipfel keinen Gegenwind gespürt. "Europa steht zusammen", sagt er. Auch Emmanuel Macron bemühte sich um versöhnliche abschließende Worte:. Es sei gelungen, "die europäische Einheit zu wahren", um den Gaspreis zu senken, betonte der französische Präsident.
