Beobachter sprechen von einer Schicksalswahl für die türkisch-zypriotische Volksgruppe. Während ein Wahlsieg Tatars die politische Isolation des Nordens zementieren könnte, würde ein Sieg Erhürmans wohl neue diplomatische Dynamik bringen. Die Wahllokale öffneten um 8 Uhr, sie schließen um 18 Uhr. Mit ersten Ergebnissen wird am Abend gerechnet. Wahlberechtigt sind rund 218.000 Menschen.
Zwei gegensätzliche Kandidaten und Visionen
Beide Kandidaten vertreten grundverschiedene Visionen für die Zukunft des international nur von der Türkei anerkannten und von türkischen Truppen besetzten Nordens der Insel, die völkerrechtlich zur Gänze Teil der Europäischen Union ist.
Tatar steht für eine Zwei-Staaten-Lösung und fordert seit Jahren die Anerkennung der "Türkischen Republik Nordzypern" als unabhängigen Staat - mit Rückendeckung aus Ankara. Eine föderale Lösung mit der griechisch-zypriotischen Seite lehnt er strikt ab. Erhürman von der sozialdemokratischen CHP hingegen will zurück an den Verhandlungstisch - unter UNO-Vermittlung und auf Grundlage einer föderalen Lösung. Zugleich strebt er eine stärkere europäische Anbindung des Nordens an. "Jeder Winkel dieser Insel wird Europa sein", sagte er im Wahlkampf.
Hintergrund: Teilung der Insel Zypern
Zypern ist nach einem griechischen Putsch und einer türkischen Militärintervention 1974 de facto geteilt. Die ganze Insel ist seit 2004 Mitglied der EU. Aufgrund der faktischen Teilung der Insel findet das EU-Recht jedoch nur im Süden Anwendung. UNO-Blauhelme überwachen die rund 180 Kilometer lange Pufferzone zwischen den beiden Seiten. Fast vier Jahrzehnte lang versahen auch österreichische UNO-Soldaten dort ihren Dienst, ehe im Jahr 2001 der Abzug erfolgte. Nikosia ist die einzige geteilte Hauptstadt der Welt.