Nach den Plagiatsvorwürfen gegen den deutschen Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) streiten Wissenschaftler über die Schwere der Vorwürfe. Lammert erhielt Unterstützung von Politologen, bei denen er angeblich in seiner Arbeit abgekupfert hat. Andere Wissenschaftler sprachen dagegen von eindeutigen Beweisen gegen den CDU-Politiker.
"Das ist ein Plagiat. Daran gibt es nichts zu rütteln", sagte der Salzburger Experte Stefan Weber, der bereits mehrfach bei Gerichtsverfahren um Doktorarbeiten als Sachverständiger auftrat, am Mittwoch in Wien. Die Fakten seien erdrückend, sagte der Experte nach Durchsicht der Doktorarbeit.
Weber: "Entzug des Titels und Rücktritt"
Es gebe "ein eindeutiges Muster der suggerierten eigenständigen Auseinandersetzung mit Literaturquellen, Studien und Forschungsergebnissen - wobei aber durchweg andere, nicht genannte Literatur dieser Auseinandersetzung zugrunde lag", schreibt Weber in einem Blog-Eintrag. Alle vorgebrachten Vorwürfe seien belegbar. Nun sei die wissenschaftliche Prüfung der zuständigen Ruhr-Universität Bochum am Zug: "Wenn die Wahrheit gewinnt, wird das mit dem Entzug des Doktortitels und dem Rücktritt enden", sagte Weber.
Die Unterstützung anderer Wissenschaftler für Lammert sei für Weber vorschnell gewesen. Nur auf den ersten Blick sei kein Plagiat erkennbar. Wenn man sich aber "Wort für Wort" mit dem Text beschäftigt, sei klar ersichtlich, dass die "Bagatellgrenze" deutlich überschritten wurde.
Der als Plagiatsjäger bekannt gewordene Salzburger Medientheoretiker Weber hatte sich bei mehreren ähnlichen Vorwürfen in Österreich bereits in den vergangenen Jahren geäußert. So hatte er 2011 die Stellungnahme der Agentur für wissenschaftliche Integrität (OeAWI) infrage gestellt, wonach die Dissertation von EU-Kommissar Johannes Hahn (V) kein Plagiat sei. Er nannte diese Behauptung "wissenschaftlich skandalös".
Im Fall Lammert hat die Ruhr-Universität Bochum eine Überprüfung eingeleitet. Lammert habe die Hochschule vor zwei Tagen über die Vorwürfe informiert und um eine entsprechende Prüfung gebeten. Lammert hatte seine Dissertation 1974 in Bochum eingereicht, 1975 wurde er promoviert. Der im Internet veröffentlichten Aufstellung zufolge soll sich Lammert unter anderem bei dem Politikwissenschaftler Wolfgang Jäger bedient und aus einem Buch zitiert haben, das es gar nicht gibt.



