"Schock und Frustration" über nur vier übergebene Leichen
Es sei klar gewesen, dass die islamistische Hamas eventuell nicht alle 28 Toten innerhalb der dafür vereinbarten Frist sofort am Montag zurückgeben könne, schrieb das Nachrichtenportal "ynet" am Dienstag. Aber Regierungsvertreter hätten mit "Schock und Frustration" reagiert, als nur vier Särge übergeben wurden. Israel habe in dieser Frage "Fortschritte" spätestens bis zum Dienstagabend gefordert, schrieb die Zeitung "Times Of Israel".
Offizielle Angaben wurden dazu zunächst nicht bekannt. Auch die Hamas gab keine Erklärung ab. Aus Kreisen in ihrem Umfeld hieß es jedoch, es würden Maschinen und mehr Zeit benötigt, um die Verschütteten zu bergen. Die Regierung in Jerusalem glaube der Hamas jedoch nicht, wenn sie behaupte nicht zu wissen, wo die Toten seien oder diese in dem schwer zerstörten Gazastreifen nicht bergen zu können. Israel gehe vielmehr davon aus, dass die Terrororganisation die Toten als Druckmittel für weitere Verhandlungen zurückhalte, berichteten mehrere israelische Medien.
IKRK: Übergabe von Leichen in Gaza kann Wochen dauern
Die Übergabe der Leichen von verstorbenen Geiseln im Gazastreifen könnte aber nach Angaben des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) tatsächlich Tage oder Wochen dauern. "Es gibt deutliche Anzeichen dafür, dass dies viel mehr Zeit in Anspruch nehmen könnte, da es schwierig ist, die menschlichen Überreste in Gaza zu finden, die sich möglicherweise unter den Trümmern befinden", sagte IKRK-Sprecher Christian Cardon in Genf. Es sei auch nicht auszuschließen, dass manche Leichen nie gefunden würden. Das IKRK betone in allen Besprechungen, wie wichtig die Rückführung von sterblichen Überresten für die Angehörigen und auch für eventuelle Versöhnung nach Kriegsende sei.
Übergebene Leichen sind identifiziert
Die vier an Israel übergebenen toten Geiseln sind israelischen Angaben zufolge mittlerweile identifiziert worden. Die Identität des 26-jährigen israelischen Staatsbürgers Guy Illouz, des 22-jährigen nepalesischen Studenten Bipin Joshi und der beiden weiteren Geiseln sei nachgewiesen, teilte die israelische Armee am Dienstag mit. Auf Wunsch der Angehörigen von zwei Geiseln werde deren Identität nicht bekannt gegeben. Guy Illouz war am 7. Oktober 2023 beim Angriff der Hamas auf das Supernova-Musikfestival entführt und in den Gazastreifen verschleppt worden. Bipin Joshi wurde im Zuge des Hamas-Großangriffs im Kibbuz Alumim entführt und im Gazastreifen festgehalten. Der Landwirtschaftsstudent gehörte zu einer Gruppe nepalesischer Studenten, die erst drei Wochen zuvor zur Pflege von Orangen- und Zitronenplantagen nach Israel gekommen waren.
Verteidigungsminister Katz drohte mit Konsequenzen
Verteidigungsminister Israel Katz hatte der Hamas schon am Montag einen Bruch der Vereinbarungen über die Waffenruhe vorgeworfen und mit Konsequenzen gedroht. Allerdings blieb unklar, wie die aussehen könnten. Israel hatte am Montag seinen Teil der Verpflichtung erfüllt und fast 2.000 Palästinenser freigelassen.
Eine Angehörige einer toten Geisel kritisierte die israelische Regierung scharf. Jael Adar, die Mutter der Geisel Tamir Adar, warf der Regierung "Verrat" an den Familien vor. Israel habe es in den indirekten Verhandlungen mit der Hamas versäumt, eine absolute Frist für die Rückgabe aller Toten zu setzen, sagte sie im Fernsehen, wie die "Times of Israel" berichtete.
Die Vereinbarung über die Waffenruhe im Gaza-Krieg sieht vor, dass - neben den überlebenden - sämtliche tote Geiseln ausgehändigt werden.
Sechs Tote bei israelischem Drohnenangriff in Gaza
Unterdessen sind am Dienstag bei einem israelischen Drohnenangriff in der Stadt Gaza trotz der Waffenruhe einem Bericht der palästinensischen Nachrichtenagentur Wafa zufolge mindestens sechs Menschen getötet worden.
Die Drohne habe das Feuer auf Menschen im Viertel Shejaija eröffnet, schrieb Wafa unter Berufung auf Informationen aus medizinischen Kreisen des Küstengebiets. Die israelische Armee teilte auf Anfrage mit, mehrere Personen hätten sich israelischen Stellungen genähert und eine Bedrohung für die Soldaten dargestellt. Das sei eine Verletzung der Vereinbarung über die Waffenruhe. Da sich die Personen auch auf mehrmalige Aufforderung nicht zurückgezogen hätten, sei das Feuer eröffnet und "die Bedrohung beseitigt" worden. Die Armee rief die Bevölkerung des Küstenstreifens erneut auf, sich nicht israelischen Stellungen zu nähern.