Die Gesetzesänderung war schon beschlossen, aber wegen der Abstimmung auf Eis gelegt. Die Schweizer Regierung, der Bundesrat, kündigte umgehend eine rasche Umsetzung der neuen Bestimmungen an. Justizministerin Karin Keller-Sutter sagte, das neue Gesetz werde voraussichtlich zum 1. Juli 2022 in Kraft treten. "Ab diesem Zeitpunkt sollen gleichgeschlechtliche Paare zivil heiraten dürfen", sagte Keller-Sutter. Eingetragene Partnerschaften könnten ab diesem Zeitpunkt in Ehen umgewandelt werden.
Das Ja zur Ehe für alle sei "eine "Form der Anerkennung durch die Gesellschaft", sagte die Ministerin. Der Staat solle Menschen nicht vorschreiben, wie sie ihr Privatleben zu gestalten haben. "Wer sich liebt und heiraten will, soll dies künftig tun dürfen - egal in welcher Konstellation."
Von den Verfechtern der gleichgeschlechtlichen Ehe wurde das Ergebnis vielerorts als "historisch" gefeiert. "Das ist ein Tag des Feierns, des Sieges nach achtjähriger Kampagne", sagte Deborah Haenni von der Vereinigung Libero, die das "Ja" propagiert hatte. Indem die Schweiz nun gleichgeschlechtliche Ehen erlaube, gleiche sie sich anderen Ländern hinsichtlich Offenheit und Fortschritt an, sagte Haenni.
Die Gegner hatten vergeblich versucht, mit Fotos von weinenden Kindern Stimmung zu machen. Es gehe nicht nur um die Paare, sondern auch das Wohl der Kinder. Sie behaupteten ohne wissenschaftliche Grundlage, dass Kinder es in sogenannten Regenbogenfamilien schwer hätten. Ihnen geht es besonders gegen den Strich, dass diese Paare nun Kinder adoptieren dürfen und lesbische Frauen Zugang zur Samenspende haben.
SPÖ-Gleichbehandlungssprecher Mario Lindner bezeichnete die Durchsetzung der Homo-Ehe im Nachbarland als "massiven Erfolg - nicht nur für die Schweizer LGBTIQ-Community, sondern für alle Menschen, die sich in Europa für Menschenrechte und Respekt einsetzen". Lindner gratulierte den Aktivist*innen und Organisationen, die es geschafft hätten, "die Mehrheit der Bevölkerung von einem Weg der echten Gleichberechtigung zu überzeugen!" Der Nationalratsabgeordnete verwies zugleich auf den im Jänner 2020 mit der Initiative "JA zum Schutz" in der Schweiz eingeführten umfassenden Diskriminierungsschutz für LGBTIQ-Personen: "Ein Schritt, der in Österreich bis heute blockiert wird", bemängelte Lindner.
Neben dem Referendum über die gleichgeschlechtliche Ehe wurde auch über die Besteuerung von Einkommen abgestimmt. Die von den Jungsozialisten vorgebrachte sogenannte 99-Prozent-Initiative verlangte, dass Einkommen aus Kapitaleinkünften ab einem bestimmten Schwellenwert künftig eineinhalb Mal so hoch besteuert werden wie Lohneinkommen. Prognosen von gfs.bern zufolge wurde die Initiative mehrheitlich abgelehnt.
Nach Angaben der Schweizer Nachrichtenagentur Keystone-SDA verfügt ein Prozent der Schweizer Bevölkerung über rund 42 Prozent des gesamten Vermögens im Land. Mit der 99-Prozent-Initiative sollte mehr Verteilungsgerechtigkeit geschaffen werden - zugunsten der 99 Prozent, die nicht zu den Reichsten zählen.