Die größte Nuklearanlage Europas wird derzeit nur mit Hilfe von Dieselgeneratoren gekühlt. Deren Treibstoff reicht nach Angaben der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA noch für etwa zehn Tage. Die Ukraine ist von der Kernkraft so abhängig wie kaum ein anderes Land in Europa. Strom liefern derzeit neun Reaktorblöcke in den Kraftwerken Riwne, Chmelnyzkyj und Süd-Ukraine. Bei russischen Attacken auf die ukrainische Energieversorgung mussten schon Kernkraftwerke wegen großer Spannungsschwankungen vom Netz getrennt werden.
Treffer auf Umspannwerke im Norden
Der Blackout am sogenannten Sarkophag von Tschernobyl (ukrainisch Tschornobyl) wurde nach Angaben des Energieministeriums durch einen Treffer auf ein Umspannwerk in der Stadt Slawutytsch im Norden verursacht. Die Kleinstadt liegt etwa 50 Kilometer vom AKW entfernt, dort lebten früher die Bedienungsmannschaften. Russland müsse gewusst haben, dass dieser Angriff solche Auswirkungen habe, schrieb Präsident Wolodymyr Selenskyj auf Telegram. Moskau habe bei dem "vorsätzlichen Angriff" mehr als 20 Drohnen eingesetzt.
Der 100 Meter hohe Sarkophag über dem explodierten vierten Block wurde zeitweise mit Dieselgeneratoren versorgt. Spätabends sei die Versorgung wieder hergestellt worden, teilte Ministerin Switlana Hryntschuk mit. Die gemessene Strahlung entspreche der Norm. Im Februar 2025 hat eine russische Drohne die doppelwandige Konstruktion beschädigt. Im stillgelegten Atomkraftwerk Tschernobyl lagern große Mengen abgebrannter Brennelemente.
Letzte Leitung nach Saporischschja gekappt
Am besetzten AKW Saporischschja ist seit dem 23. September die letzte Hochspannungsleitung außer Betrieb. "Europas größtes Atomkraftwerk hat jetzt seit mehr als einer Woche keinen Strom von außen, was mit Abstand der längste Fall in mehr als dreieinhalb Jahren Krieg ist", erklärte IAEA-Generaldirektor Rafael Grossi in Wien. Er sei mit Russland wie der Ukraine in Kontakt, um die Stromversorgung wiederherzustellen.
Solange die Generatoren die abgeschalteten Reaktoren versorgten, bestehe keine unmittelbare Gefahr, sagte Grossi. "Aber es ist eindeutig kein Dauerzustand mit Blick auf die nukleare Sicherheit." Der Diesel reiche nach Angaben der von Moskau eingesetzten Werksleitung noch für etwa zehn Tage.
Greenpeace vermutet russische Sabotage
Die Hochspannungsleitung verband das AKW mit dem von Kiew kontrollierten Teil des ukrainischen Stromnetzes. Sie sei dem Augenschein nicht durch Beschuss unterbrochen worden, teilte die Umweltorganisation Greenpeace in Kiew mit. Sie berief sich dabei auf die Analyse von Satellitenfotos durch Sicherheitsexperten. Greenpeace warf der Moskauer Seite vor, die Leitung sabotiert zu haben als Teil des Planes, Saporischschja an das russische Netz anzuschließen und die Reaktoren wieder hochzufahren.