Kevin McCarthy liebt Redensarten. Also sagte er in der vergangenen Woche während einer der vielen Sitzungspausen im US-Kapitol: "Wichtig ist nicht der Beginn. Wichtig ist, wie man eine Sache zu Ende bringt." Dieses Bonmot habe ihm sein Vater mit auf den Weg gegeben.
Wenn man Kevin McCarthy an dieser Redensart messen will, hat er sein Ziel erreicht. In der Nacht zum Samstag verwirklichte der 57-Jährige einen lang gehegten Traum und gewann die Wahl zum Vorsitzenden des Repräsentantenhauses. Im 15. Wahlgang erhielt er die absolute Mehrheit der Stimmen, nachdem die 21 republikanischen Rebellen ihren Widerstand aufgegeben hatten. Zuvor hatten sich im Versammlungssaal des Repräsentantenhauses tumultartige Szenen abgespielt. Im 14. Wahlgang hatten sich zwei Rebellen - Matt Gaetz aus Florida und Lauren Boebert aus Colorado, fanatische Anhänger des abgewählten Präsidenten Donald Trump - geweigert, ihre Stimme für McCarthy abzugeben. Stattdessen enthielten sie sich. Damit verfehlte McCarthy die notwendige Mehrheit. Gaetz wurde daraufhin persönlich von seinem Fraktionschef konfrontiert, vor laufenden Kameras. Das Gespräch verlief erfolglos, zum großen Frust von McCarthy.
Daraufhin wurde der langjährige Abgeordnete Mike Rogers derart wütend, dass er sich auf Gaetz stürzen wollte. Er musste zurückgehalten werden. Die Republikaner beantragten anschließend eine Verschiebung der Sitzung auf den Montag; doch plötzlich schien Gaetz - angeblich nach einem Telefonat mit Trump - seine Meinung geändert zu haben und es kam zum entscheidenden 15. Wahlgang.
Möglich wurde der Durchbruch dank massiver Zugeständnisse an die parteiinternen Kritiker McCarthys. So versprach er den Rebellen einen größeren Einfluss bei der Gestaltung von Gesetzesartikeln. Auch sicherte McCarthy dem rechten Rand seiner Fraktion zu, dass die Republikaner die Ausgaben der Regierung künftig besser kontrollieren könnten. Er sagte aber nicht, wie er dieses Versprechen umsetzen will. McCarthy hofft wohl darauf, dass sich die erhitzten Gemüter in den nächsten Monaten abkühlen werden. Auf dem Programm steht zum Beispiel die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, der das Geschäftsgebaren von Hunter Biden, dem Sohn des Präsidenten, unter die Lupe nehmen will. Auch will man die US-Grenze zu Mexiko besser sichern.
Gesetze und Ausgabenbeschlüsse verabschieden kann das Repräsentantenhaus aber nicht allein. Und weil in der kleinen Kammer des Kongresses die Demokraten den Ton angeben - sie stellen 51 der 100 Sitze - und im Weißen Haus immer noch Biden sitzt, werden viele Ideen der neuen republikanischen Mehrheit in der großen Kammer einen stillen Tod sterben.