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Türkei: Behörden übernehmen Kontrolle über Oppositionssender

Die türkischen Behörden haben am Samstag die Kontrolle über den der Opposition nahestehenden Fernsehsender Tele1 übernommen und den Youtube-Kanal des Senders geschlossen. Bereits am Freitag wurde der Chefredakteur des Senders, Merdan Yanardag, festgenommen, wie dieser am Samstag über seine Anwälte mitteilte. Die Festnahme erfolgte im Zuge neuer Ermittlungen wegen angeblicher Spionage gegen den inhaftierten ehemaligen Istanbuler Bürgermeister Ekrem Imamoglu.

Imamoglu ist der wichtigste Rivale des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Seine Verhaftung im März hatte Massenproteste ausgelöst. Imamoglu soll am Sonntagvormittag einem Richter vorgeführt werden, wie die wichtigste Oppositionspartei CHP im Onlinedienst X mitteilte. Sie rief zu einer Demonstration vor dem Caglayan-Gericht auf, um Imamoglu zu unterstützen.

"Schwerer Schlag für Pressefreiheit"

Yanardags Untersuchungshaft wurde am Samstag um 24 Stunden verlängert, wie dieser über seine Anwälte auf X mitteilen ließ. "Dies ist ein Zeichen, dass das Land auf ein totalitäres Regime zusteuert. Es ist ein schwerer Schlag für die Pressefreiheit", erklärte der Chefredakteur. "Dies ist Schikane. Sie eliminiert Presse- und Meinungsfreiheit." Es handle sich um "Intoleranz gegenüber unabhängigen Medien und gegensätzlichen Meinungen".

Wenige Stunden zuvor hatte ein Bevollmächtigter der Regierung die Leitung von Tele1 übernommen, wie der Sender selbst am Freitagabend mitgeteilt hatte. Anstelle von Nachrichten wurden Dokumentationen und Gesundheitssendungen ausgestrahlt, wie AFP-Korrespondenten berichteten. Im Laufe des Samstag wurden Inhalte des Youtube-Kanals von Tele1 gelöscht, bis dieser schließlich nicht mehr erreichbar war.