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Türkisches Gericht wies Klage gegen Oppositionsführer ab

In der Türkei hat ein Gericht eine gegen die Opposition gerichtete Klage abgewiesen. In dem politisch brisanten Verfahren ging es um angebliche Unregelmäßigkeiten bei dem Parteitag der Republikanischen Volkspartei (CHP) im Jahr 2023. Oppositionsführer Özgür Özel hatte der Verlust seines damals errungenen Parteivorsitzes gedroht, wenn der Parteitag für ungültig erklärt worden wäre. Der Fall hatte die Partei und das Land monatelang in Atem gehalten.

Özel ließ sich auf Parteitag im September als CHP-Chef bestätigen
Özel ließ sich auf Parteitag im September als CHP-Chef bestätigen

Das Gericht entschied nun, die Klage habe keine Substanz mehr. Schließlich habe die CHP Özel im September auf einem außerordentlichen Parteitag erneut gewählt. Die Abweisung der Klage könnte in der innenpolitischen Krise der Türkei die Wogen etwas glätten, denn das Verfahren wurde von Kritikern als Teil einer Kampagne gegen die Opposition gesehen.

Hunderte Parteimitglieder in Haft

Hunderte CHP-Mitglieder sind wegen angeblicher Korruption in Untersuchungshaft. Dazu gehört der Istanbuler Bürgermeister Ekrem İmamoğlu, der als wichtigster politischer Rivale von Präsident Recep Tayyip Erdoğan gilt. Die Regierung weist eine politische Motivation zurück.

Am Freitagvormittag wurden neue Vorwürfe in Zusammenhang mit Spionage gegen den abgesetzten Istanbuler Bürgermeister bekannt. Anadolu berichtete unter Berufung auf die Istanbuler Staatsanwaltschaft, mehreren Personen werde vorgeworfen, in einer "kriminellen Organisation İmamoğlus", etwa für ausländische Geheimdienste gearbeitet und illegale Mittel für vergangene Wahlen und eine mögliche Präsidentschaftskampagne gesammelt zu haben. İmamoğlu nannte die Vorwürfe eine "Schamlosigkeit, die sich nicht in Worte fassen lässt".

Zwangsverwalter für Istanbul?

Die Journalistin Nevsin Mengü kommentierte die neuen Vorwürfe: "Es scheint, dass İmamoğlu, selbst wenn er in einem Fall freigesprochen wird, in einem anderen Fall in Haft bleiben wird." Der politische Analyst Berk Esen schrieb auf X, die Spionageermittlungen könnten ein Verfahren auslösen, das zur Ernennung eines Zwangsverwalters in Istanbul führen könnte.

Nach der Festnahme des CHP-Präsidentschaftskandidaten İmamoğlu im März ist der als streitbar geltende Özel stärker in den Fokus gerückt. Die CHP liegt in den meisten Umfragen mit der islamisch-konservativen AKP von Erdogan gleichauf. Sollte das Gericht den CHP-Parteitag für nichtig erklären, könnte es einen Treuhänder zur Führung der Partei ernennen oder Özels Vorgänger Kemal Kılıçdaroğlu wieder einsetzen. Dieser hatte die Präsidentschaftswahl 2023 gegen Erdoğan verloren und seitdem innerhalb der CHP an Rückhalt verloren. Bei einer Absetzung Özels wären Erdoğans Chancen gestiegen, seine seit 22 Jahren als Ministerpräsident oder Präsident andauernde Herrschaft in dem NATO-Land zu verlängern.