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Ukraine: Russland zieht sich auch südlich von Cherson zurück

Die meisten russischen Soldaten sollen in der Ukraine in den Donbass verlegt worden sein, um dem Präsidenten Wladimir Putin einen Minimalerfolg zu ermöglichen.

Die zerstörte Brücke über den Dnipro in Cherson.
Die zerstörte Brücke über den Dnipro in Cherson.

Gute zwei Wochen nach der ukrainischen Rückeroberung der Gebietshauptstadt Cherson häufen sich die Anzeichen, dass sich die russischen Besatzer auch vom Südufer des Dnipro zurückziehen. Nach Angaben der ukrainischen Webseite "Zentrum des Nationale Widerstands" haben die Russen bis zum Montag ihre gesamte Zivilverwaltung aus den seit Ende Februar besetzten Städten Kachowka und Nowa Kachowka abgezogen. Ukrainische Ermittler haben derweil bei Nowa Kachowka bereits das erste frische Grab zweiter Entführungsopfer gefunden. Der Vater und sein Sohn galten als pro-ukrainische Aktivisten der 45.000-Einwohnerstadt.

Zwar hatten die Besatzungsmacht bereits vor zwei Wochen die Evakuierung von Zivilisten in einem 15 Kilometer breiten Streifen am südlichen Dnipro-Ufer angekündigt, um dort Verteidigungsanlagen zu bauen. Doch der vollständige Abzug der Verwaltung kommt doch überraschend. Zumal in Nowa Kachowka der strategisch wichtige Süßwasserkanal aus dem Dnipro auf die 2014 von Russland annektierte ukrainische Halbinsel Krim beginnt.

Auch ein großes Flusswasserkraftwerk befindet sich in Nowa Kachowka. Bisher abgehängt vom ukrainischen Stromnetz könnte es in Zukunft die 60 Kilometer südwestlich gelegene Cherson wieder mit Elektrizität versorgen.

Unklar ist weiterhin, wie viele russische Armeeverbände noch im Umkreis der Städte Nowa Kachowka, Tawrijsk (10000 Einw.) und Kachowa (35000 Einwohner) sind. Satellitenaufnahmen zeigen vor allem Verteidigungswälle der Russen im dünn besiedelten Süden der Oblast Cherson an der Grenze zur Krim.

Die meisten russischen Soldaten sollen inzwischen in den Donbass verlegt worden sein, um dem Kreml den Minimalerfolg der Eroberung von Bachmut (vormals: Artemiwsk) zu ermöglichen. Um die für Wladimir Putin emotional wichtige 70.000-Einwohnerstadt in unmittelbarer Nähe der ehemaligen Frontlinie zwischen pro-russischen Separatisten und Kiewer Regierungssoldaten tobt seit Anfang Juni ein erbitterter Stellungskrieg.

Die Einnahme Bachmuts sollte den Russen bereits im Frühling den Weg nach Kramatorsk und Slowjansk eröffnen und damit den Weg zur Eroberung der ganzen Oblast Donezk. Doch der ukrainische Vorstoß aus Charkiw und der Fall von Lyman haben diese Pläne des Kremls durchkreuzt. Was bleibt, ist Bachmut als Symbol des ukrainischen Widerstands im Donbas.