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Wie der Krieg der Drohnen Europa herausfordert - das sagt ein Militärexperte

Drohnenangriffe in Polen, nun auch mehrfach in Dänemark. Wie sehr eskaliert der hybride Krieg in Westeuropa und wie ist man in der Abwehr von Drohnen gerüstet?

Im Bild bereiten ukrainische Soldaten den Abschuss einer Drohne vor.
Im Bild bereiten ukrainische Soldaten den Abschuss einer Drohne vor.

Der Leiter des Instituts für Offiziersausbildung an der Theresianischen Militärakademie in Wien, Markus Reisner, steht selbst mitten in der Debatte, wie man Heere fit für die Zukunft machen muss. Im SN-Gespräch erklärt er, wie Drohnen ins Zentrum der Kriegsführung gerückt sind und wie man auch in Österreich darauf reagieren muss.

Der jüngste Drohnenalarm in Dänemark soll mit verschiedenen Drohnen von einem "professionellen Akteur" ausgelöst worden sein. Wer kann hinter solchen Drohnenangriffen stecken? Wir erleben eine deutliche Eskalation der hybriden Kriegsführung. Das sieht man auch daran, wie sehr die dänische Regierung durch die jüngsten Drohnenangriffe unter Druck geraten ist. Aber was tun? Wie gehen wir damit um?

Der hybride Krieg spielt sich nicht mehr nur im "Informationsraum" ab, also im reinen Beeinflussen der Menschen über Medien zum Beispiel. Wir erleben bereits Krisen, wie in Dänemark, wo staatliche Kontrolle in höchster Aufruhr ist, weil man versuchen muss, dieser Angriffe Herr zu werden.

Wer kann nun solche Drohnenattacken technisch bewerkstelligen? Die Tücke liegt darin, dass mittlerweile diese Systeme sehr leicht zu bauen sind. Jeder Terrorist oder Akteur einer extremistischen Gruppierung ist technisch dazu in der Lage. Aber natürlich deutet die Qualität und die Art, wie die jüngsten Drohnenattacken durchgeführt wurden, schon sehr eindeutig auf im Hintergrund agierende staatliche Akteure hin. Die Drohnen sind sehr "potent" aufgestellt und sie fliegen in der Nacht.

Was macht es schwierig, den Verursacher rasch und genau zu identifizieren? Man muss davon ausgehen, dass die Drohnen von außen in das Zielgebiet eingeflogen sind. Es gibt mittlerweile den Verdacht, dass Schiffe von einem staatlichen Akteur dazu gezielt als Startrampe verwendet werden. Die Drohnen müssen dafür entsprechende Reichweiten haben. Das ist jetzt auch Thema in Dänemark. Und das geht dann bei Weitem über die technischen Möglichkeiten hinaus, die quasi der in seinen Wirkmitteln eingeschränkte Terrorist hat.

Wie verändern Drohnen die Kriegsführung? Wesentlich, wir sehen das zum Beispiel in der Ukraine. Der Krieg ist dort deswegen so elendig, weil wir durch den Einsatz von Tausenden Drohnen gefechtstechnisch-taktisch eine Art Pattsituation haben. So wie im Ersten Weltkrieg Stacheldraht und Maschinengewehre beide Seiten in eine Pattsituation gezwungen haben, die erst der Panzer durchbrechen konnte, sind es jetzt Drohnen, durch die sich beide Seiten so gegenseitig beobachten, dass man keine Angriffe starten kann, ohne massivste Verluste in Kauf zu nehmen. Wir haben Drohnen, die auch weit hinter das Schlachtfeld blicken und bereits in der Tiefe wirksam werden können. Die Ukraine muss deshalb zum Beispiel Stützpunkte für hochwertige Waffensysteme wie Kampfflugzeuge permanent verlegen.

Können Sie noch weitere Beispiele nennen? Es gibt Drohnen, die Raketen losschicken, genauso wie solche, die als Relaisstationen dienen, Drohnen zum Transport oder Drohnen, die sich als Minen irgendwo bereithalten, um im entscheidenden Moment zuzuschlagen. Zum Teil stehen Landdrohnen auch schon im Gefechtseinsatz. Ukrainische Modelle sollen so nach Medienberichten bei Charkiw die Russen überrascht haben.

Wie können Nato-Staaten auf die aktuellen Drohnenangriffe reagieren, können sie sie überhaupt abwehren? Eine große Herausforderung ist derzeit: Wer darf wann wo was in welcher Befugnis tun? Wir haben in den Nato-Staaten und auch in Österreich Unschärfen in der Verantwortlichkeit der Innen- und Verteidigungsressorts. Ab wann ist es ein Angriff, der eine militärische Antwort erfordert? Händeringend sucht man da jetzt nach Lösungen, um adäquat reagieren zu können.

Wie schaut es mit technischen Abwehrmöglichkeiten aus? Das Erste und Wichtigste ist, sich ein genaues Bild über den Luftraum verschaffen zu können. Da ist auch die große Herausforderung für die Nato, dass deren Luftraumabwehr auf große Objekte wie Kampfflugzeuge und nicht auf so kleine Objekte wie Drohnen ausgelegt ist. Hier wird gerade nachgerüstet. In Österreich sind wir da gar nicht so schlecht aufgestellt, was Störsysteme für Drohnen oder Abschussmöglichkeiten betrifft. Wir sind da bereits weit vorangekommen.

Welche Rolle spielt künstliche Intelligenz in der Kriegsführung? Ich gebe Ihnen ein illustratives Beispiel. Wenn jetzt viele Raketen gleichzeitig anfliegen, das gilt auch für Drohnen, sind Sie als Mensch gar nicht mehr in der Lage, zu entscheiden, welche Drohnen Sie jetzt als Erstes abschießen müssen. Das macht inzwischen die KI. Sie errechnet die voraussichtliche Flugbahn und kann dann entscheiden, ob die Drohne gefährlich ist, weil sie im Stadtgebiet einschlagen wird, oder ob man sie ignorieren kann, weil sie irgendwo in einer Au niedergehen wird. Das heißt, die KI unterstützt bereits heute die Entscheidungsfindung und wird das künftig noch viel mehr tun. Die KI wird der Steuerung durch Menschenhand künftig kaum eine Chance lassen.