Das Fragezeichen strafft sich und wird gegen Ende zum Ausrufezeichen. Was das mit dem Gärtnern zu tun hat? Viel. Zumindest im neuen Buch von Christian Lorenz Müller. Der in Salzburg-Parsch lebende Autor zeichnet darin den Gemeinschaftsgarten als Mikrokosmos der Gesellschaft. Das Fragezeichen heißt Gerd und verdient sein Leben mit Buchrezensionen. Ein kritischer Geist, der seine Nächte gern gebeugt vor dem Computer verbringt. Oft gebiert er Verrisse, er ist streng, auch zu sich selbst. Ganz anders seine Lebensgefährtin Elfie. Als Regieassistentin am Theater ist sie der quirlige Part des Pärchens, ein bunter Schmetterling an der Seite der grauen Maus Gerd.
Ein trügerischer Gemeinschaftsgarten
Aus der wechselseitigen Perspektive des Pärchens erzählt Christian Lorenz Müller seinen Entwicklungsroman. Denn Gerd entdeckt im Laufe der Handlung, was er in seiner Kindheit am Bauernhof der Großeltern kennengelernt, später aber nicht mehr gebraucht hat: das Arbeiten in der Natur. Daran wird er im Laufe des Romans wachsen oder, wie Elfie es ausdrückt: "Plötzlich merkt er, dass er nicht nur einen Kopf, sondern auch einen Bauch hat."Dass die Idylle im Gemeinschaftsgarten eine trügerische ist, muss der Idealist Gerd bald zur Kenntnis nehmen. Das weckt rebellische Gelüste, er behauptet sich - und wandelt fortan als Ausrufezeichen durch die Welt. Ob diese nun gut werde, bleibt offen.
Die Wirklichkeit ist langweilig
Auch wenn er mit seinem Helden manches teile, so sei er nicht sein Alter Ego, betont Christian Lorenz Müller schmunzelnd. Er empfängt die Stadt Nachrichten zum Gespräch in einem Gemeinschaftsgarten im Süden Salzburgs, wo er selbst Vereinsmitglied ist. Die Figuren seien alle frei erfunden, aber natürlich orientiere er sich an Dingen, die er selbst erlebt habe, sagt der 52-Jährige. "Die Wirklichkeit ist langweilig und voll von Wiederholungen." Ein Roman funktioniere anders, da werde dramatisiert, "hingebürstelt" und reflektiert. Als Schriftsteller gehöre er der Spezies der "Gärtner" an und nicht der "Architekten": "Ich gehe von Szene zu Szene, die Figuren wachsen und verändern sich. Sie machen, was sie wollen."
Das "Garteln" steht hoch im Kurs
Bislang hatte sich Müller in seinem literarischen Schaffen stets mit Vergangenem befasst, für seinen vierten Roman wechselte er von der Zeitgeschichte zum Zeitgeist. Das "Garteln" steht aktuell hoch im Kurs - gerade bei Städtern. "Es gibt eine romantische Grundsehnsucht nach Natur", weiß Müller, der auf dem Land in Bayern aufgewachsen ist. Das Landleben werde entweder idealisiert oder belächelt. "Die Menschen haben oft irreale Vorstellungen davon, was im Garten an Arbeit investiert werden muss", weiß er. Ihr Anspruch kollidiere mit der Wirklichkeit. Daraus ergibt sich reichlich Konfliktpotenzial, wie Müller in seinem Roman höchst unterhaltsam aufzeigt. Mit spitzer Feder treibt er seine Hobbygärtner, die großteils einem grün-linken, urbanen Milieu entspringen, bis an ihre Leidensgrenzen. Er konfrontiert sie dabei mit den Unwägbarkeiten der - menschlichen - Natur. "Wir setzen voraus, dass der Staat, das Gemeinwesen funktioniert. In einem Gemeinschaftsgarten kriegt man erst mit, wie fragil Gemeinschaften sind", sagt Müller.




