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Betreuung daheim ist so schwierig wie nie

Die Förderung für die 24-Stunden-Betreuung daheim wird im Herbst angehoben. Trotzdem steht das System vor riesigen Herausforderungen.

Trotz Förderungen ist eine Betreuung zuhause für viele nicht leistbar.
Trotz Förderungen ist eine Betreuung zuhause für viele nicht leistbar.

"Es gibt keine Familienmitglieder, die sich um den an Demenz erkrankten Pensionisten kümmern können", erzählt Evelyn Fidler von einem Härte-fall. Fidler vermittelt mit ihrer Agentur "Lebensabend" in ganz Salzburg ausländische Betreuerinnen für die 24-Stunden-Betreuung zu Hause. Im konkreten Fall von Herrn M. kommt hinzu, dass das Haus stark renovierungsbedürftig ist. Ein Erwachsenenvertreter kümmert sich um seine finanziellen Angelegenheiten. "Der Mann wiegt fast 140 kg, da brauchte es zwei Betreuer. Die Frau und der Mann aus Rumänien versuchten ihre Aufgabe gut zu machen, aber allein die sanitären Zustände waren unzumutbar." Für die Betreuer gibt es keine persönlichen Ansprechpartner, "das ist sehr schwierig". Der Fall setzte Fidler auch persönlich schwer zu. "Hier wegzuschauen, das geht nicht. Daher habe ich alle meine persönlichen Kontakte spielen lassen, damit wir schließlich einen Platz in einem Seniorenheim für Herrn M. organisieren konnten."

Während die Bevölkerung immer älter wird, steigt auch die Zahl der Pflegefälle in den Familien. Die Seniorenheime sind voll, Hunderte Betten in Salzburg gesperrt, denn auch dort ist Pflegepersonal schwer zu finden. Die Betreuung alter Menschen daheim lastet zumeist auf den Schultern der Angehörigen - meistens auf jenen der Frauen.

Fidler berichtet von Senioren, die trotz Förderungen die 24-Stunden-Betreuung mit ihrer Pension nicht finanzieren können, weshalb die Kinder einspringen müssen. "Das ist kein Einzelfall", so Fidler. Über ihre Agentur kostet die Betreuung rund 2500 bis 2600 Euro monatlich. Die Nachfrage ist trotzdem enorm. "Leider muss ich viele vertrösten. Denn auch für uns wird es immer schwieriger, geeignetes Personal zu bekommen."

Das Hilfswerk versorgt in seiner Rolle als Agentur österreichweit rund 800 Kundinnen und Kunden mit 24-Stunden-Betreuung. Bei im Schnitt zwei Betreuerinnen pro Person vermittelt man so rund 1600 Pflegerinnen und Pfleger. Als ÖQZ24-zertifizierte Agentur verpflichtet sich das Hilfswerk (und 38 weitere Agenturen), bestimmte Qualitätsstandards einzuhalten. Als Ansprechpartnerinnen in den Bezirken fungieren diplomierte Pflegekräfte, die auch das Erstgespräch mit potenziellen Kunden führen.

"Wir sind da zuletzt ins Hintertreffen geraten."
Daniela Großschädl
Case-Managerin Hilfswerk Salzburg

Für den Flachgau ist die Walserin Daniela Großschädl zuständig. "Wir schätzen den tatsächlichen Betreuungsbedarf ein, kümmern uns um die bestmögliche Unterstützung der Betreuungskräfte und Kunden und bemühen uns u. a. bei Konfliktsituationen um einen Ausgleich", sagt Großschädl. Sie vermittelt in erster Linie Betreuungskräfte aus dem ost- und südosteuropäischen Raum: "Die Pflegerinnen und Pfleger arbeiten auf selbstständiger Basis. Bevor wir sie vermitteln, gibt es ein sogenanntes ,matching', damit Kunden und Pflegekräfte auch wirklich zusammenpassen."

Das Hilfswerk drängt darauf, die Förderung für die 24-Stunden-Pflege weiter anzuheben. "Es geht darum, dass sich die Kundinnen und Kunden die Pflege auch bei steigenden Honoraren noch leisten können. Man wird sich nämlich überlegen müssen, wie den Betreuungskräften bessere Honorare bezahlt werden können", so Großschädl. Diese Kräfte seien sehr mobil. Österreich müsse mittel- und langfristig für Betreuungskräfte attraktiv bleiben und deren Abwanderung verhindern. "Wir sind da zuletzt ein bisschen ins Hintertreffen geraten." Derzeit könne man aber noch alle Kundenanfragen gut bedienen.

"Aufgrund der verbesserten Wirtschaftslage in den Herkunftsländern ist die Personenbetreuung in Österreich deutlich weniger attraktiv geworden."
Jakob Wiener
Caritas Salzburg

Die Caritas betreut im Bundesland Salzburg aktuell rund 35 Kundinnen und Kunden im Rahmen der 24-Stunden-Pflege - die meisten davon in der Stadt und im Flachgau. Rund 70 der österreichweit 730 Personenbetreuer der Caritas sind im Bundesland Salzburg tätig. Der Bedarf könne bis dato noch abgedeckt werden, die Herausforderungen würden aber immer größer, betont Jakob Wiener, Fachbereichsleiter Mobile Dienste bei der Caritas Salzburg: "Insgesamt geht die Anzahl der Personenbetreuer in Österreich seit Jahren zurück. Aufgrund der verbesserten Wirtschaftslage in den Herkunftsländern ist die Personenbetreuung in Österreich deutlich weniger attraktiv geworden. Dazu kommt, dass die Betreuung immer später in Anspruch genommen und damit immer komplexer wird."

Ab September soll die Förderung für die 24-Stunden-Betreuung von Pflegebedürftigen daheim zumindest angehoben werden. Statt 640 Euro soll es rund 800 Euro geben, sofern zwei selbstständige Personenbetreuer zum Einsatz kommen. Werden die Betreuer angestellt, gibt es statt 1280 Euro dann 1600 Euro. Damit wird aber nur ein Wertverlust abgeglichen, der seit 15 Jahren nicht mehr angepasst wurde, betonen Branchenvertreter.

Unterstützung in Fragen zur Pflege - von Förderungen über Hilfsmittel bis zu Entlastungsangeboten für pflegende Angehörige - bietet die Pflegeberatung des Landes.

Daten und Fakten: Betreuung daheim

Derzeit sind im Bundesland 1657 Betreuerinnen gemeldet. 1000 aktuell ruhend. In Salzburg agieren 34 Agenturen (Zahlen Wirtschaftskammer Sbg.).

Je nach Schwere werden die Betroffenen in Pflegestufen von 1 bis 7 eingeteilt. Pflegegeld wird gewährt, wenn der Pflegebedarf pro Monat mehr als
65 Stunden ausmacht. Ist der Pflegebedarf höher, wird die pflegebedürftige Person einer höheren Stufe zugeordnet.

Personen mit einem Pflegegeld ab der Stufe 3, die eine sogenannte 24-Stunden-Betreuung brauchen, erhalten zusätzlich zum Pflegegeld eine finanzielle Unterstützung in Form eines monatlichen Zuschusses von 640 Euro. Betreuungsbedürftige, die im Monat mehr als 2500 Euro (netto) verdienen, bekommen keinen Zuschuss.

Interview

"Bürokratie ist ein Horror"

Die Arbeit für 24-Stunden-Betreuerinnen wird immer weniger attraktiv. Ein Gespräch mit Evelyn Fidler von der Vermittlungsagentur "Lebensabend".

Gibt es überhaupt noch genügend Personal bzw. Frauen für diese Betreuungsform? Evelyn Fidler: Die Auswahl hat sich leider stark reduziert. Ich schätze die Arbeit der Betreuerinnen sehr, sie geht oft auch an die Substanz. Immerhin sind sie Tag und Nacht bei den Menschen, und das durchgehend 30 Tage. Sie betreuen oft demenzkranke Menschen und brauchen selbst dringend zwischendurch Erholungszeit. Ich habe mittlerweile auch sechs Männer in meinem Betreuerteam aus Rumänien. Die Rumäninnen sind vom Charakter her großteils sehr gelassen, das hilft besonders bei der Betreuung von Demenzkranken.

Was bereitet Ihnen derzeit am meisten Sorgen?Es wird immer schwieriger, gutes Personal zu bekommen. Manche Frauen verlassen ohne Vorwarnung die Betreuungsplätze, lassen Patienten zurück, andere kommen einfach nicht mehr aus Rumänien zurück. Dass sie mehr Geld wollen, ist auch verständlich.

Was wären Ihre Forderungen für eine qualitative Verbesserung? Die Bürokratie ist ein Horror. Es bräuchte mehr Zusammenarbeit von Ämtern, Sozialministerium, Gewerbebehörde und Sozialversicherung. Allein der Abwicklungsprozess für die Betreuerinnen ist mehr als umständlich.

Wir investieren viel Zeit in die Ausbildung der Kräfte, helfen bei Sprachproblemen etc. Trotzdem müssen auch Angehörige noch zusätzlich "ein Auge" auf die Betreuung haben. Es gibt immer noch viele Fälle, wo ohne Agenturen gearbeitet wird. Wir unterstützen Angehörige auch bei bürokratischen Fragen, weil sie es sonst nicht schaffen.Ich würde mir auch wünschen, dass wir für die Betreuerinnen eine eigene Unterkunftsmöglichkeit hätten. Ein Pool an Reservekräften, die bei Bedarf sofort eingesetzt werden. Maria Riedler

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