Die sinkenden Einwohnerzahlen musste auch die Raiffeisenbank Lungau verkraften. Die Bank hat in den vergangenen Jahren die Zahl der "bemannten" Bankstellen von zehn auf vier reduziert, aber gleichzeitig die regionale Wertschöpfung verbessert. Wie neue Genossenschaften eine Region wieder zum Aufblühen bringen können, das hat Wolfgang Pfeifenberger, Obmann der Raiffeisenbank Lungau, einer Gruppe von Spitzenfunktionären aus Salzburger Raiffeisenbanken bei einer Exkursion gezeigt.
Die "Ackerbox" in Unternberg ist ein gutes Beispiel
Ein gutes Beispiel, wie Genossenschaften wirtschaftliche Kompetenz mit sozialer Verantwortung vereinen, ist die "Ackerbox" in Unternberg. In der Gemeinde mit knapp 1000 Einwohnern wandelte die Raiffeisenbank eine Bankstelle zum örtlichen Treffpunkt um. "Wir haben der Bevölkerung damals gesagt: Die Bank ist nicht weg, sondern mehr geworden", sagt Pfeifenberger. Die SB-Zone der Bank wurde mit einem Nahversorger, der im Ort gefehlt hat, kombiniert.
160 bis 170 Kunden täglich
Die Ackerbox ist nun knapp zwei Jahre in Betrieb und wird gut angenommen, wie beim Lokalaugenschein deutlich wird. Kinder stehen Schlange für ein regionales Eis aus der Selbstbedienung. "Wir zählen zwischen 160 und 170 Kunden täglich, die im Schnitt um 10 Euro einkaufen. Wir sind also auch umsatztechnisch sehr zufrieden", sagt Hans Lüftenegger, Betreiber der Ackerbox und Obmann der Genossenschaft Regiomarkt Lungau.
Genossenschaftliche Direktvermarktung von Energie ist wichtiger geworden
Weiter ging es zur Energie Lungau. Heute zählt die Genossenschaft 427 Mitglieder - von Unternehmern, Bergbahnen, Gemeinden und vielen Privatpersonen -, 822 Zählpunkte und sieben Wasserkraftwerke mit einer Engpassleistung von 2908 Kilowatt. Unterstützt wird die Genossenschaft von Raiffeisen. Wolfgang Pfeifenberger: "Die genossenschaftliche Direktvermarktung von Energie ist für den Strombedarf der Bevölkerung wichtig geworden."
Zwei Hektar Agri-PV wird aufgestellt
Ende September wird die Energie Lungau um eine zwei Hektar große Agri-PV-Anlage erweitert, darunter grasen im Sommer Lämmer von Obmann-Stellvertreter Stefan Krist. 2100 Module wurden aufgestellt. Die PV-Anlage sei eine gute Ergänzung zur Wasserkraft: "Bei der Energieversorgung geht es um Netzstabilität, momentan sind wir noch sehr wasserlastig", sagt Krist. Als Herausforderung bezeichnet Krist auch die Stromspeicherung, "weil gerade im Winter, wo der Strombedarf höher ist, scheint weniger die Sonne." Als nächsten Schritt will die Energiegenossenschaft Großspeichermodule integrieren und Reststrommengen vermarkten.
Mehr Wertschöpfung durch das Kchwerk und die "Speis'"
Mehr Wertschöpfung brachten auch das Lungauer Kochwerk sowie die Lungauer Speis in die Region. Die Produzenten-Genossenschaft zählt heute 97 Mitglieder, die Erzeugnisse in jede Lungauer Fleischbank liefern will. Die Produkte sind übrigens auch in der Ackerbox gelistet. Die Vorteile für die Mitglieder der Lungauer Landwirtschaftsgenossenschaft - für einen Geschäftsanteil in der Höhe von 350 Euro - sind mannigfaltig: Bei der Lieferung von Rindern gibt es einen "Lungau Zuschlag", kürzere Transportwege bedeuten mehr Tierwohl, es gibt eine Abnahme-Vermarktungsgarantie für Schafe sowie Schweine und die Vermarktung übernimmt die Genossenschaft. Im Jahr 2022 wurden noch 30,5 Schweine geschlachtet und vermarktet, im Vorjahr waren es bereits 111 Tiere.
Zahl der verarbeiteten Tiere in Genossenschaft steigt
Auch die Zahl der Rinder ist von 25 auf 52,5 gestiegen und die Zahl der Lämmer von 38 auf 74 Stück. Insgesamt wurden im Vorjahr 251 Tiere in der Landwirtschaftsschule Tamsweg geschlachtet und anschließend als Lungauer Speis vermarktet. Die Qualitätsprodukte wissen nicht nur die Einkäufer im Hofladen zu schätzen, sondern auch immer mehr Tourismusbetriebe. Heuer will man die Lungauer Speis verstärkt in die Tourismusgebiete Obertauern und Katschberg bringen und den Produktversand um die berühmte Lungauer Bratwurst ausweiten. "Wir haben gelernt, jede Gelegenheit, die sich bietet, wahrzunehmen und mit viel Herzblut zum Erfolg zu bringen", sagt Obmann-Stellvertreterin Roswitha Prodinger.
"Keine Zukunft ohne Herkunft"
Die Bildungsreise von der Raiffeisen Salzburg Spitzenfunktionärsvereinigung lief unter dem Titel "Genossenschaften neu denken". Geschäftsleiterin Anna Doblhofer-Bachleitner: "Ziel war es, Genossenschaften zu besuchen, die mit Innovationsgeist und regionaler Verankerung nachhaltige Impulse setzen." Für RVS-Obmann Erich Zauner ist der Lungau ein Vorzeigebezirk für Genossenschaften, von dem man vieles lernen könne: "Wir befinden uns momentan mitten in einem Strategieprozess, wo es auch um das Thema Genossenschaft der Zukunft geht. Ich habe viele Gedanken mitgenommen. Man muss nicht alles neu erfinden, sondern sollte sich auch auf seine Wurzeln besinnen. Keine Zukunft ohne Herkunft."