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3D-Druck-Labor im Salzburger Landeskrankenhaus soll Implantate für das Gesicht erschaffen

Eine neue Schädeldecke, ein neues Kinn oder ein Unterarmgips für ein verletztes Kind - an den Salzburger Landeskliniken kommen Implantate oder medizinische Hilfsmittel in zunehmender Anzahl aus dem hauseigenen 3D-Druck-Labor.

Beispiele aus dem 3D-Druck-Labor an den Salzburger Landeskliniken.
Beispiele aus dem 3D-Druck-Labor an den Salzburger Landeskliniken.

Dieses Labor entwickelt sich derzeit in drei Richtungen weiter, wie der Leiter der Einheit, IT-Techniker und 3D-Druck-Pionier Werner Wurm, erklärt: "Wir bereiten einen neuen Zertifizierungsprozess vor, damit wir auch Gesichtsimplantate selbst herstellen dürfen. Wir planen Unterarmgipse für Kinder aus dem 3D-Drucker. Und wir entwickeln gemeinsam mit unseren Ärztinnen und Ärzten laufend neue OP-Modelle und chirurgische Hilfsmittel, mit denen Operationen effizienter durchgeführt werden können."

Sieben neue Implantate für das Gesicht

Seit Herbst 2023 darf das 3D-Druck-Labor am Uniklinikum Salzburg selbst ausgedruckte Teile der Schädeldecke (Kranialplatten) den Patientinnen und Patienten auch einsetzen - dem war ein eineinhalb Jahre lang dauernder Zertifizierungsprozess nach der MDR (Medical Device Regulation) vorangegangen. "Diese Kranialplatten werden vor allem nach Unfällen oder Tumoroperationen eingesetzt", erläutert Simon Enzinger, Geschäftsführender Oberarzt der Universitätsklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (MKG) am Campus LKH, der mit Werner Wurm das Labor gemeinsam aufgebaut hat. Mehr als 30 solcher Eingriffe haben bislang stattgefunden - die Mehrzahl an der Universitätsklinik für Neurochirurgie am Campus Christian-Doppler-Klinik.

Beispiel aus dem 3D-Druck-Labor an den Salzburger Landeskliniken.
Beispiel aus dem 3D-Druck-Labor an den Salzburger Landeskliniken.

Schwere Fehlbildungen korrigieren

Nun wird ein neuer Zertifizierungsprozess für 7 verschiedene Onlays (Auflagerungen) für das Gesicht vorbereitet: linker und rechter Kieferwinkel, Kinn, Stirn, linkes und rechtes Jochbein sowie Hinterhaupt. Enzinger: "Diese Onlays werden z. B. Patientinnen und Patienten eingesetzt, um schwere Fehlbildungen des Schädels zu korrigieren, unter denen die Personen seit ihrer Geburt leiden." Hintergrund: Die Salzburger MKG ist bundesweit zertifiziertes Expertisezentrum für Lippen-, Kiefer- und Gaumenspalten und kraniofaziale Anomalien (Schädelfehlbildungen). Der neuerliche MDR-Zertifizierungsprozess wird wiederum mehrere Monate dauern.

Unterarmgips aus dem 3D-Drucker

Ein zweites Projekt läuft gemeinsam mit der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendchirurgie sowie mit einem Schweizer Start-up, dessen Gründer Unfallchirurg ist: Kinder sollen am Uniklinikum Salzburg in Zukunft einen "Unterarmgips" aus dem 3D-Drucker erhalten: "Die Orthese aus dem 3D-Drucker ist in zwei Stunden fertig, viel leichter als Gips, wasserfest, hält besser und länger und juckt vor allem nicht", fasst Wurm die Vorteile zusammen. Dieses Projekt steht kurz vor der Zulassung.

Von der Bastelwerkstatt im Keller zum Profilabor

Begonnen hatten Wurm und Enzinger mit dem 3D-Druck 2015 in einem Kellerarchiv der MKG: "Mit einem Spielzeugdrucker, den wir aus der Filiale einer Handelskette hatten, haben wir die ersten OP-Modelle gedruckt. Damals noch ganze Schädel." Was am Beginn 120 Stunden Druckzeit pro Schädel bedeutete, entwickelte sich rasch weiter.
Mittlerweile kann das Team des 3D-Druck-Labors innerhalb eines Tages auf der Basis von CT-Bildern ein lebensechtes Modell z. B. der Augenhöhle einer Patientin am Bildschirm konstruieren und ausdrucken. Enzinger: "Anhand solcher Modelle planen wir Chirurgen Eingriffe. Wir sehen, wie die Knochenstruktur tatsächlich aussieht, was uns erwartet, und können so die Schnitte planen."

3D-Druck-Labor am Uniklinikum Salzburg: Oberarzt Simon Enzinger, Landesrätin Daniela Gutschi, IT-Techniker Werner Wurm.
3D-Druck-Labor am Uniklinikum Salzburg: Oberarzt Simon Enzinger, Landesrätin Daniela Gutschi, IT-Techniker Werner Wurm.

Sie bauen deformierte Kiefer nach

Zudem bauen die Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen immer wieder aus Teilen des Wadenbeins (Fibula) deformierte Unterkiefer nach - Hintergrund: Der Körper stößt die eigene Knochenstruktur nicht ab. Auch für solche Eingriffe werden mittlerweile zuvor Modelle und Schnittschablonen gefertigt, damit die eigentliche Entnahme der Knochenstruktur schneller geht. HNO-Ärztinnen und -Ärzte lassen sich vor dem Einsetzen von Hörimplantaten Modelle anfertigen, die zeigen, wo in der Schädeldecke genau die Schrauben für die Implantate eingesetzt werden.

"Gerade im Bereich der Modelle und der chirurgischen Hilfemittel wie Schnittschablonen gibt es praktisch unendlich viele Anwendungsmöglichkeiten", erklärt Professor Alexander Gaggl, Vorstand der Universitätsklinik für MKG: "Wir haben in den vergangenen Jahren das Know-how aufgebaut und können jetzt die Ernte einfahren."

Abweichung beträgt nur 0,2 Millimeter

Die Vorteile des eigenen 3D-Druck-Labors liegen auf der Hand, wie Professor Gaggl zusammenfasst: "Weil Techniker und Ärzte die Implantate und Modelle gemeinsam an Ort und Stelle erarbeiten, ist das Ergebnis sehr genau - wir sprechen hier von 0,2 mm Abweichung zwischen Modell und Realität. Die Modelle sind teilweise innerhalb eines Tages, die Implantate in wenigen Tagen verfügbar und nicht erst in Wochen. Und die Kosten unserer eigenen Modelle und Implantate liegen im Vergleich zu fremdgefertigten Erzeugnissen bei einem Bruchteil." Seit Jahresbeginn steht dem 3D-Druck-Labor zudem ein KI-Scanner zur Verfügung, der 3D-Bilder binnen weniger Minuten errechnet und damit z. B. Kindern die Strahlenbelastung durch ein CT ersparen kann.

"Die Digitalisierung ist einer der großen Trends in der medizinischen Entwicklung. Das 3D-Druck-Labor am Uniklinikum Salzburg ist ein Paradebeispiel dafür, wie die Digitalisierung direkt bei den Patientinnen und Patienten ankommt: Es werden neue Operationen und OP-Techniken möglich. Die Eingriffe dauern kürzer und sind für die Patientinnen und Patienten schonender", fasst Gesundheits- und Spitalslandesrätin Daniela Gutschi ihre Eindrücke nach einem Besuch am Ort des Geschehens zusammen.