Als wir Kinder in den Ferien von der Großmutter gefühlte hundert Male zum Heidelbeerensammeln geschickt worden sind, habe ich mir geschworen, das später niemals wieder zu tun. Warum sollte ich mir diese Plage, die mit Hitze, gebückter Haltung und stechenden Insekten daherkommt, freiwillig antun? Und daran habe ich mich konsequent gehalten. Heuer bin ich umgefallen. Ein einziges Mal und nur, weil die Beeren perfekt angerichtet gewesen sind. In Hülle und Fülle und direkt neben einem flachen Waldweg. Bei diesem einen Mal aber übermannten mich die Erinnerungen: Wir Kinder im Wald, wo wir auch viel Spaß hatten. Die gestrenge Großmutter, vor der ich mich manchmal gefürchtet habe. Bis ich begriff, durch welch ungerechtes und schweres Leben sie sich hatte durchplagen müssen und dass es einem Wunder gleicht, dass sie nicht daran zerbrochen ist. Und dass es letztendlich ihre Liebe zu den Kindern und Kindeskindern gewesen ist, die sie ausgemacht hat. Und wie innig der Abschied von ihr gewesen ist. Und all die Schicksale ihrer Nachfahren, und auch mein eigenes Leben - Dankbarkeit, Kummer, Freude, Sorgen, Liebe. Und Gedanken daran, was wohl ihren Ururenkeln und den folgenden Generationen bevorstehen mag. Und dann der Höhepunkt dieser Gefühlsexplosion: In dem Moment, in dem ich mich aufrichtete und mir, genau so wie einst die Großmutter, mit den Händen stützend an den Rücken griff, spürte ich es genau. Sie ist ein Teil von mir und ich ein Teil von ihr.
Gefühlsexplosion im Wald (eine kleine Hommage an die Großmutter)

BILD: SN/SW/PRIVAT
Das Foto mit meiner Großmutter und mir stammt aus dem Jahr 1966, im Hintergrund ist das einstige „Schwabenhaus“ im Bramberger Ortszentrum zu sehen.