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Geologe: "Der Spalt im Fels hat sich schon vor mehreren Jahren gebildet"

Stefan Kellerbauer aus Marktschellenberg erstellt aktuell ein Gutachten zum Felssturz am 5. August im Nationalpark Berchtesgaden.

Geologe Stefan Kellerbauer (rechts) und Drohnenpilot Alexander Koller analysieren aus sicherer Entfernung den Felssturzbereich im hinteren Wimbachtal mit einer Spezialdrohne und Virtual-Reality-Brillen.
Geologe Stefan Kellerbauer (rechts) und Drohnenpilot Alexander Koller analysieren aus sicherer Entfernung den Felssturzbereich im hinteren Wimbachtal mit einer Spezialdrohne und Virtual-Reality-Brillen.

Im Auftrag des Nationalparks Berchtesgaden erstellt Geologe Stefan Kellerbauer (65) aus Marktschellenberg aktuell ein Gutachten über den Felssturz am 5. August im Hinteren Wimbachtal, wo sich rund 4000 Kubikmeter Kalkstein löste.

Herr Kellerbauer, wann wird Ihr Gutachten fertig sein?Stefan Kellerbauer: Das wird noch mehrere Wochen dauern.

Sie gehen für das Gutachten u. a. der Frage nach, warum es zu dem Felssturz gekommen ist. Können Sie darauf schon eine Antwort geben?Es gibt keinen unmittelbaren Auslöser für den Felssturz wie zum Beispiel den starken Regen im Juli. Vielmehr ist es so, dass sich da schon vor mehreren Jahren unbemerkt ein Spalt im Felsen gebildet hat. Was nicht ungewöhnlich, sondern Teil des ganz normalen Entstehungsmechanismus' einer Felswand ist.

Hat Sie der Felssturz dennoch überrascht?Ja, an dieser Stelle schon. Wobei Steinschläge und Felsstürze im Hochgebirge prinzipiell etwas ganz Normales sind. Dieser Felssturz fand in meinen Augen so viel Beachtung, weil es ein spektakuläres Video davon gibt und weil viel begangene Wanderwege verschüttet wurden.

Im Hinteren Wimbachtal stürzten geschätzt 4000 Kubikmeter Fels herunter. Gab es schon mal einen so großen Felssturz in den Berchtesgadener Alpen?1999 gab es einen viel, viel größeren am Kleinen Mühlsturzhorn. Damals stürzten 250.000 Kubikmeter Fels ins Klausbachtal, in Richtung Hirschbichlstraße. Ich erinnere mich, dass allein vom Staub der Wald auf mehreren Quadratkilometern weiß wie eine Mondlandschaft war.

"„Ich kann unmöglich vorhersagen, wann der frei stehende Klotz abgehen wird.“"
Stefan Kellerbauer
Geologe

An der aktuellen Abbruchstelle im Hinteren Wimbachtal steht noch ein mehrere Tausend Tonnen schwerer Klotz ohne Verbindung zum Felsen in der Wand. Können Sie einschätzen, wann dieser abgehen wird? In zwei Tagen oder in 500 Jahren - das kann ich unmöglich vorhersagen. An der Farbe des Felsens kann ich nur erkennen, dass der Felsspalt schon mehrere Jahre offen ist. Messungen werden zeigen, ob sich dieser Spalt weiter öffnet.

Den Felsen sprengen oder sichern ist keine Option?Nein, tatsächlich nicht. In beiden Fällen müssten sich Menschen in den Gefahrenbereich begeben, um entweder den Sprengstoff oder Schwerlastanker anzubringen. Und genau das will man ja nicht. Abgesehen davon wären zum Beispiel für eine Sprengung dieses so großen Felsens 5000 bis 10.000 Kilogramm Sprengstoff nötig. Das ist überhaupt keine Option. Zumal dann sehr wahrscheinlich trotzdem etwas zurückbleiben würde. Und da spielt es dann ja auch keine Rolle, ob da noch 5000 oder 50 Kubikmeter oben sind. Das Ergebnis ist immer das Gleiche: Man kann da niemanden vorbeigehen lassen. Genau darum arbeitet der Nationalpark jetzt an einem Alternativweg.

Was raten Sie Bergsportlerinnen und Bergsportlern?In jedem Fall diese und andere Sperrungen zu berücksichtigen. Diejenigen, die die Sperrung veranlassen, haben immer einen guten Grund dafür. Ganz generell muss man im Hochgebirge immer mit Steinschlägen oder Felsstürzen rechnen. Gerade größere Felsstürze kündigen sich aber in der Regel an, da fällt nicht auf einmal die Felswand um. Wer also bemerkt, dass es aus einer Wand herausbröselt, der sollte den Bereich weiträumig meiden. Die Leute, die im hinteren Wimbachtal das Video vom Felssturz aufgenommen haben, die haben es genauso und damit richtig gemacht.

Ist die Steinschlag- oder Felssturzgefahr in den vergangenen Jahren gestiegen? Das glaube ich nicht. Ich glaube, dass das Bewusstsein dafür steigt.

Was können Verantwortliche vorbeugend unternehmen?In unserer riesigen Landschaft kann kein Mensch vorbeugend tätig werden oder alles nach Gefahrenstellen absuchen. Vielmehr läuft es so ab, dass es irgendwo ein Ereignis gibt, das jemand bemerkt, und man diese Stelle dann absperrt, begutachtet und - wenn möglich - sichert.


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