Einmal ist er mit der Forderung nach eigenen Bettelzonen bereits abgeblitzt. Nachdem die Nationalratswahl für die ÖVP in Graz mit einer herben Enttäuschung endete - die Bürgermeisterpartei ist nur noch viertstärkste Kraft - wagt Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) einen neuerlichen Vorstoß. Betteln solle künftig nur in ausgewiesenen Zonen, an höchstens drei Tagen pro Woche und nur gegen Vorlage eines Ausweises erlaubt sein. Er hat ein entsprechendes Ersuchen an das Land Steiermark gerichtet, um eine Verordnungsermächtigung zu erhalten.
Begründung des Bürgermeisters: In der Grazer Bevölkerung gebe es verstärkt Unmut durch aufdringliches Betteln in öffentlichen Verkehrsmitteln und in Gastgärten. Sein Credo: Betteln muss erlaubt bleiben, man kann es aber zeitlich und örtlich einschränken. In ersten Reaktionen haben sich Vertreter von SPÖ und Grünen klar gegen die Nagl-Pläne ausgesprochen, Zustimmung kommt von der FPÖ.
Zur Durchsetzung von eigenen Bettelzonen benötigt Nagl aber einen entsprechenden Beschluss auf Landesebene. Ein solcher erscheint jedoch nach dem Debakel mit dem steirischen Bettelverbot mehr als fraglich. Die Diskussion ist bereits stark emotionalisiert, so hat etwa der steirische SPÖ-Klubobmann Walter Kröpfl den Grazer Bürgermeister als "Pseudokatholiken" tituliert.
Das im Jahr 2011 eingeführte generelle und flächendeckende Bettelverbot in der Steiermark war erst im Jänner dieses Jahres vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) aufgehoben worden. Ein Bettelverbot ohne Ausnahme sei unsachlich und widerspreche der Menschenrechtskonvention, hatten die Höchstrichter argumentiert. Gekippt wurde das Bettelverbot, nachdem der Grazer Armenpfarrer Wolfgang Pucher im Namen eines Bettlers aus der Ostslowakei Beschwerde eingelegt hatte.
Gegen das Gesetz hatten auch Teile der Grazer Zivilgesellschaft mobil gemacht: So setzten sich etwa der Theologe Philipp Harnoncourt und der Forum-Stadtpark-Mitbegründer Emil Breisach demonstrativ als Bettler auf die Straße.
Pucher betreut mit seiner Vinzenzgemeinschaft seit Mitte der 1990er-Jahre eine Gruppe von Roma, die aus dem slowakischen Dorf Hostice nach Graz kommen und hier um milde Gaben bitten.
Der Geistliche wies auch immer wieder den Vorwurf zurück, die in Graz bettelnden Roma seien in "organisierten Banden" tätig und müssten Teile ihres eingenommenen Geldes an "Anführer" ausliefern: "Das ist eine Lüge, das gibt es bei uns in Graz nicht." Auch Vertreter der Grazer Polizei haben diese Auffassung von Pfarrer Pucher mehrfach bestätigt.
Zu den Bettlern aus Hostice haben sich seit Aufhebung des Bettelverbots noch andere Gruppen gesellt. Eine stammt aus Rumänien, eine weitere aus Bulgarien. Zur letztgenannten Gruppe - unter ihnen befinden sich auch Menschen mit Behinderung, die in der Innenstadt Passanten ansprechen - hat die Vinzenzgemeinschaft keinen Zugang. Pfarrer Pucher betont aber, dass diese Gruppe nicht pauschal vorverurteilt werden dürfe. Den von ihm betreuten Bettlern aus der Slowakei und aus Rumänien hat er in Versammlungen dargelegt, wie man sich in Graz zu verhalten habe: "Die verstehen das sehr gut, sie sind nicht so verständnislos, wie manche gern glauben."
In der Landeshauptstadt ist - wie vor dem mittlerweile wieder aufgehobenen Landesgesetz - aggressives Betteln und Betteln mit Minderjährigen verboten. Bettelnde Kinder sind aus dem Straßenbild weitgehend verschwunden. Wohl aber kann es sein, dass man in der Innenstadt zwischen Jakominiplatz, Hauptplatz und Südtiroler Platz von Bettlern angesprochen wird.
Die Diktion "Bettlerproblem" wird von Pfarrer Pucher zurückgewiesen: "Ist das denn ein Problem, wenn arme Menschen in einer wohlhabenden Stadt um Gaben bitten?" Im Ausland betteln sei für die Roma eben ein Ausweg aus ihrer erdrückenden Not. Die überwiegende Mehrheit tue dies "still und bescheiden" und sei von der Grazer Bevölkerung gut akzeptiert.
Die Vinzenzgemeinschaft appellierte mittlerweile an die politischen Entscheidungsträger, "das Schicksal dieser Menschen nicht zu verschlimmern". Die von der Salzburger Plattform für Menschenrechte geforderte "bedarfsorientierte Grundversorgung" wird vom Grazer Pfarrer Pucher ausdrücklich begrüßt: "Eine tolle Sache, endlich geht diesbezüglich etwas weiter." Auch in Graz wünsche er sich etwa Quartiere für Betroffene, die "im Dreck leben müssen".