Ein Stubenmädchen wurde gesucht. Dienstort: der Berghof auf dem Obersalzberg im bayerischen Berchtesgaden. Dienstgeber: Adolf Hitler.
Diese Arbeitsstelle, von der im sogenannten Dritten Reich Tausende deutsche Mädchen träumten, hatte das Arbeitsamt in Wels Elisabeth Breinreich 1943 angeboten. Mulmig war der heute 89-Jährigen zumute, als sie das erste Mal an ihren neuen Dienstort kam. Die Mutter hatte sie gebeten, nicht zu gehen. Doch ablehnen konnte die Tochter nicht; Bedenken wischte die Dame vom Arbeitsamt vom Tisch und riet der jungen Frau, dankbar zu sein. "So eine Schande, ich wusste nicht einmal, wo Hitlers Haus stand. Aber ich hab so getan, als wüsst' ich's", sagt Elisabeth Kalhammer. So heißt die gebürtige Marchtrenkerin seit ihrer Hochzeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Plötzlich beim "Führer" Drei SS-Posten musste sie passieren, bis sie am neuen Einsatzort stand. Eine solche Betriebsamkeit und so viel Militär waren neu für sie.
"Das Haus war voll mit Gästen und der ,Führer‘ gerade da", berichtet sie. Für die Gesellschaften, die er gab, war der Diktator bekannt. Getafelt wurde spät abends, gearbeitet bis in den Morgen. Vor zwei Uhr am Nachmittag stand Hitler selten auf.Mitten im Zweiten Weltkrieg, den er vom Zaun gebrochen hatte, gab er privat den Biedermann. Zuallererst wurde das neue Hausmädchen mit den Vorschriften im Berghof bekannt gemacht: Was im Haus gesprochen wird, darf unter keinen Umständen nach außen dringen. Verstöße werden mit Ausgangssperren geahndet.
Mit dem Diktator selbst sowie mit seinen Privaträumen hatten allein langgediente Mitarbeiterinnen zu schaffen. Lisbeth, wie sie auf dem Berg genannt wurde, packte nicht nur in der Wäscherei oder Näherei an, sondern auch beim Putzen. Pulver, Fetzen und Schrubber waren dabei ihre Arbeitsgeräte. Aufpassen hieß es beim Teegeschirr. "Das war sehr wertvoll, aus geblümtem Nymphenburger Porzellan", berichtet Kalhammer. Einmal hat sie etwas davon umgestoßen, die Konsequenz war eine ausgedehnte Ausgangssperre. Reichlich gedeckter Tisch Während ihre Familie in Oberösterreich kaum zu essen hatte, saß sie mit den Mädchen am frisch gedeckten Tisch und bekam Apfelsaft und Wasser aus Gastein. Dafür, dass es den Frauen gut ging, hat Hitlers Gefährtin Eva Braun gesorgt. Kalhammer beschreibt diese als elegante Frau, die sich die Kleider nach der neuesten Mode schneidern ließ, Besuche von Freunden genoss und "eine ganz Liebe" war.
Im Berghof habe sie sich wie die Hausherrin verhalten, auch wenn sie nicht verheiratet war. Für die Mädchen hat sie die Berufskleidung entworfen: weiße Schürzen mit den Knöpfen schräg daran. Zu Weihnachten haben sie von ihr Wolle bekommen, um den Männern an der Front Socken zu stricken. Lisbeth hat sie ihrem Bruder geschickt.Braun war begeistert von der Schauspielerin Marika Rökk. Im Berghof gab es einen Kinosaal; die Freundin des "Führers" sorgte dafür, dass für die Mädchen Sitzgelegenheiten bereitstanden, wenn ein Rökk-Film gezeigt wurde. Mit "Heil, gnädiges Fräulein", haben sie Eva Braun begrüßt. "Ich hab mir am Anfang schwer getan, bis ich's rausgebracht hab", erzählt Kalhammer. "Zum Glück hab' ich Hitler nie getroffen und nicht mit ihm reden müssen. Den musste ich nicht haben." Hitlers Marotten Über seine Spleens weiß das frühere Stubenmädchen zu berichten, dass er streng Diät hielt, eine eigene Köchin war für seine Speisen zuständig. Dazu trank er nur lauwarmes Wasser.
Bis 1944 war das Leben auf dem Obersalzberg geschäftig, im Vergleich zur Not der breiten Bevölkerung jedoch auch angenehm. Nach dem Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli schlug die Stimmung um.
Hier geht es zu Teil 2 des Interviews.