Faktum ist: Die zierliche Frau war am 14. März mit ihrem Kleinwagen in Salzburg-Schallmoos - wie schon oft zuvor - von der Hauptstraße nach rechts in die Einfahrt zur Tiefgarage des Mehrparteienhauses eingebogen. Ebendort lag ein 31-jähriger Obdachloser, im Alkoholrausch und schwer unter Drogen, auf der Fahrbahn. Die Lenkerin, obwohl nur sehr langsam unterwegs, übersah den quer auf der Fahrbahn liegenden 31-Jährigen, ihr Auto erfasste und überrollte ihn. Für den obdachlosen Ungarn kam jede Hilfe zu spät. In der Folge erhob der Bezirksanwalt, als Vertreter der Staatsanwaltschaft, Strafantrag wegen fahrlässiger Tötung - die Lenkerin habe gegen die gebotene Aufmerksamkeit hinter dem Steuer verstoßen.
Zu Beginn des von Richter Aleksandar Vincetic geführten Prozesses bekannte sich die zierliche, mit den Tränen kämpfende Frau, sie ist seit dem Unglück in psychologischer Behandlung, nicht schuldig. Ihr Verteidiger Markus Kobler: "Aus meiner Sicht musste meine Mandantin nicht davon ausgehen, dass am Beginn der Einfahrt plötzlich jemand flach am Boden liegt."
Verstoß gegen das zentrale Gebot des Fahrens auf Sicht
Nach Vernehmung der Angeklagten erstattete der Verkehrsunfallsachverständige Gerhard Kronreif sein Gutachten. Und kam darin zum Schluss: "Beim Einbiegen kann der Bereich, wo der Fußgänger lag, vom Fahrersitz aus mit Sicherungsblicken über die Front- und Seitenscheibe eingesehen werden." Nachsatz von Kronreif: "Eines der wichtigsten Gebote ist jenes des Fahrens auf Sicht - über die Hürde dieses Gebots kommt man auch hier nicht 'drüber'. Mann muss demnach so fahren, dass man immer rechtzeitig stehen bleiben oder ausweichen kann."
Nach Gutachtenserstattung und Rücksprache mit ihrem Anwalt bekannte sich die Frau dann schuldig. Der Richter nach dem Urteil: "Sie hätten besser schauen können oder generell den Sitz höherstellen können."