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Innensicht einer langjährigen Justizsprecherin: "Früher galt es zu verhindern, dass etwas geschrieben wird"

Was dürfen die Justiz-Medienstellen im Hinblick auf Datenschutz und die Persönlichkeitsrechte von Betroffenen mitteilen? Wo liegen die Grenzen zwischen berechtigtem öffentlichen Interesse und Voyeurismus? - Bei der Richterwoche in Salzburg gab Christina Salzborn, seit vielen Jahren leitende Mediensprecherin des Straflandesgerichts Wien, Antworten - und spannende Einblicke in ihre Arbeit.

Symbolbild.
Symbolbild.
Christina Salzborn, Vizepräsidentin und Langzeit-Mediensprecherin des Wiener Straflandesgerichts.
Christina Salzborn, Vizepräsidentin und Langzeit-Mediensprecherin des Wiener Straflandesgerichts.

Zum Generalthema "Justiz zwischen Transparenz und Datenschutz - Bedeutung für den Gerichtsalltag" tauschen sich rund 80 Richterinnen und Richter aus ganz Österreich seit Dienstag bei der diesjährigen Richterwoche aus. Zahlreiche Vorträge, Workshops und auch Diskussionen standen und stehen auf dem Programm der wichtigsten richterlichen Fortbildungsveranstaltung. Sie findet heuer in Salzburg statt.

Am Donnerstag ging es um einen sehr praxisbezogenen Aspekt zum Thema Transparenz der Justiz: Christina Salzborn, Richterin, Vizepräsidentin des Landesgerichts für Strafsachen Wien und seit nunmehr schon 13 Jahren Leiterin der dortigen Medienstelle, erzählte sehr offen wie launig über ihre Tätigkeit.

Als sie im Jahr 2008 in die Medienstelle von Österreichs größtem Strafgericht gekommen sei, "waren Online-Medien bzw. Online-Journalisten praktisch noch nicht existent. Und Social Media gab es gottseidank auch noch nicht wirklich", so Salzborn. Ihr - schonungsloser - Nachsatz: "Früher sollte eine Justiz-Medienstelle eher verhindern, dass Journalisten etwas schreiben. Heute sind wir 24/7 für Medienvertreter verfügbar. Wir erteilen, so weit es rechtlich möglich ist, Auskunft zu unzähligen Verfahrensanfragen. Wir müssen aber auch Großverfahren managen oder Besuchergruppen koordinieren. Und wir müssen uns nicht zuletzt auch um Shitstorms zu Gerichtsurteilen kümmern." Letzteres sei etwa der Fall gewesen, nachdem ein Asylbewerber in einem unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführten Prozess vom Vorwurf der Vergewaltigung einer Zwölfjährigen freigesprochen wurde.

Auf dem Wiener "Medienmarkt", mit dem sie täglich zu tun habe, gebe es inzwischen kaum noch klassische Chronikjournalisten oder Gerichtsreporter. Dafür gebe es eine Vielzahl an Freischaffenden, an Bloggern und an mehr oder weniger großen Online-Medien: "Das Tempo der Berichterstattung ist rasant gestiegen. Und dadurch der Druck für Journalisten und auch für uns."

Salzborn hält fest, dass die Medienstellen bezüglich Auskunftserteilung "bei jedem einzelnen Fall bewerten müssen, ob für Informationen dazu ein berechtigtes öffentliches Interesse vorliegt. Darf ich konkret über Personen sprechen - oder gibt es da schutzwürdige Interessen der Beschuldigten, Geheimhaltungsinteressen von Opfern?"

Leider, so Salzborn, müsse sie in Wien feststellen, "dass der Wind im Boulevardjournalismus deutlich rauer geworden ist". Bei Bildern von Beschuldigten oder auch Opfern würden in puncto Unkenntlichmachung "die Balken immer kleiner. Und bei C- oder auch D-Promis wird teils mit voller Namensnennung berichtet".

Überdies, so betont sie, kämen zunehmend Anfragen, bei denen es sich für sie nicht erschließe, "ob es da um die Einholung von Informationen geht, für die es ein berechtigtes öffentliches Interesse gibt. Oder nur um Voyeurismus; nur um das Generieren von möglichst vielen Klicks und möglichst hohe Quoten". Salzborn bringt auch ein Beispiel: "Eine sehr prominente Person sitzt in U-Haft. Ein Journalist ruft an und fragt, was der Prominente heute zu essen bekommt. Meine Antwort: "Heute ist Freitag. Es wird wohl eine gebackene Scholle sein."

Christina Bayrhammer, Richterkollegin von Salzborn und Mediensprecherin des Salzburger Landesgerichts, hebt bei einer anschließenden Podiumsdiskussion mit Journalistinnen und Journalisten ebenfalls hervor, wie sehr sich die Arbeit der Medienstellen geändert habe: "Früher war in der Justiz der Tenor: Wir informieren so viel, wie gerade notwendig ist. Jetzt versuchen wir, so viel an Information nach außen zu tragen, wie rechtlich möglich ist. Um die Justiz transparenter zu machen."

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