Seit mehr als 20 Jahren setzt sich das Waldrappteam dafür ein, den in Mitteleuropa ausgerotteten Vogel wieder anzusiedeln. Kolonien gibt es unter anderem in Kuchl am Georgenberg, in Burghausen oder am Bodensee. Trotz aller Bemühungen und Aufklärung ist der Mensch aber immer noch eine der häufigsten Todesursachen für die optisch schrägen Vögel. Das bestätigt Projektmitarbeiterin Corinna Esterer, die viele Waldrappküken mit der Hand aufgezogen und an Bord von Leichtflugzeugen die Zugroute in den Süden gezeigt hat: "Tatsächlich sind es immer noch die menschengemachten Ursachen: An erster Stelle steht der Stromschlag von nicht isolierten Strommasten und an zweiter die Wilderei."
Während der herbstlichen Migration der Zugvögel in ihr Überwinterungsgebiet in der südlichen Toskana seien im Vorjahr offenbar wieder acht Vögel gewildert worden, berichtet das Waldrappteam. Ein Fall betrifft den Kuchler Waldrapp Puck.
Bei Rast auf Bauernhof abgeschossen
Der Waldrapp Puck schlüpfte 2021 als Wildvogel in der Kolonie Kuchl. Von erfahrenen Vögeln lernte er die Route über den Alpenhauptkamm in die südliche Toskana kennen, auf der er selbstständig unterwegs war. Doch am 24. November 2024 kam eine für das Waldrappteam traurige Benachrichtigung. Sein GPS-Sender, montiert zwischen seinen Flügeln auf dem Rücken, sendete aus, dass Puck abgeschossen wurde. Das Signal wurde von einem Projektmitarbeiter empfangen und sendete präzise Standortdaten. Wenig später untersuchten die Carabinieri Forestale in Forlì-Cesena den Tatort.
Jäger versuchte, die Tat zu verschleiern
Wie sich herausstellte, hatte sich Puck in der Nähe eines Bauernhofs auf einem Baum niedergelassen, um zu rasten. Später wechselte er auf das Dach eines Gebäudes, wo er erschossen wurde. Der Schütze versuchte daraufhin, die Tat zu verschleiern: 55 Minuten nach dem Abschuss wurde Puck mit dem Auto an einen 14,5 Kilometer entfernten Ort gebracht und abgelegt.
"Die umfassenden GPS-Daten ermöglichten eine schnelle Identifizierung des Täters, der Jäger und Mitglied einer italienischen Jagdvereinigung ist", heißt es vom Waldrappteam. Die Justizbehörde ordnete eine Hausdurchsuchung an, die Tatwaffe wurde gefunden und beschlagnahmt. Dem Jäger wurde die Jagdlizenz entzogen, ihm droht ein Gerichtsverfahren.
Waldrappteam fordert Schadenersatz
Dem Jäger wird die Tötung eines Individuums einer geschützten Art und die erhebliche Schädigung einer gefährdeten Population vorgeworfen. "Wir hoffen auf ein Urteil, das der Schwere des Vergehens gerecht wird. Wir beabsichtigen auch, Schadenersatz für das europäische Artenschutzprojekt in einer Zivilklage einzufordern", betont das Waldrappteam in einer Aussendung.
Wilderer sind meistens Jäger mit Jagdschein
In Italien sei etwa ein Drittel der Verluste von Waldrappen auf Wilderei zurückzuführen. Das betreffe auch andere geschützte Zugvögel. "Trotz der Behauptungen von Jagdvereinigungen, den Artenschutz zu unterstützen, zeigen die Beobachtungen des Life-Projekts, dass Wilderer überwiegend Jagdscheine besitzen und unter den Mitgliedern von Jagdvereinigungen zu finden sind", kritisiert Johannes Fritz vom Waldrappteam. Man fordere die Jagdverbände dazu auf, strengere Maßnahmen gegen kriminelles Verhalten in den eigenen Reihen umzusetzen.
Der größte italienische Jagdverband, Federazione Italiana della Caccia (FIdC), habe sich kürzlich in einer Pressemitteilung als engagierter Partner im Schutz von Arten wie dem Waldrapp präsentiert.
Tatsächlich zeigen die Daten des Artenschutzprojekts, dass illegale Abschüsse in Italien überwiegend während der gesetzlichen Jagdsaison und in Jagdgebieten stattfinden. Alle bislang identifizierten Verdächtigen seien lizenzierte Jäger und Mitglieder italienischer Jagdvereinigungen gewesen, heißt es.