Bei der Entbindung im Dezember 2021 kam es zu einem Riss der Gebärmutter, der eine Notoperation notwendig machte. Das Baby starb wenige Tage nach der Geburt aufgrund der dabei erlittenen Gehirnschäden. Bei der Mutter kam es zu großem Blutverlust. Sie galt laut Staatsanwalt als Risikopatientin, weil bei ihrer ersten Entbindung im Jahr 2019 ein Notkaiserschnitt durchgeführt werden musste.
Ursprünglich war auch für die zweite Entbindung ein Kaiserschnitt vorgesehen, die Patientin habe sich dann kurzfristig aber doch für eine natürliche Geburt entschieden, während des Geburtsvorgangs aber wieder eine Sectio verlangt.
Ankläger lastete Arzt grob fahrlässiger Tötung und Körperverletzung an
Die Staatsanwaltschaft legte dem Arzt grob fahrlässige Tötung und grob fahrlässige Körperverletzung zur Last. Im Kern wurden dem Gynäkologen mehrere Verstöße gegen die Sorgfaltspflicht vorgeworfen; so habe er der Risikopatientin ein gefährliches Medikament zur Geburtseinleitung geben lassen, welches die Gefahr für einen Gebärmutterriss (Uterusruptur) erhöht.
Der Arzt bestritt alle Vorwürfe. So wies er etwa zurück, dass ihm mitgeteilt worden sei, dass die Patientin sich zum Schluss doch wieder zugunsten eines Kaiserschnitts umentschieden habe.
Mutter im Prozessfinale: "Wurde nicht ausreichend aufgeklärt"
Beim Prozessfinale am Mittwoch war die Mutter, die mittlerweile ein weiteres Baby bekam, am Wort. Sie leide seit dem Vorfall an schweren seelischen und körperlichen Schmerzen, betonte die Frau. Bei der fatalen Entbindung habe sie sich alleingelassen gefühlt.
Die Frau - sie und ihre Familie werden vom Salzburger Opferanwalt Stefan Rieder vertreten - berichtete, dass der Gynäkologe ihr gegenüber im Vorfeld einen Kaiserschnitt und eine natürliche Geburt als gleichwertig eingestuft habe.
Sie habe zunächst eher zum Kaiserschnitt tendiert. Als die Wehen einsetzten und alle Untersuchungen gut verliefen, entschied sie sich aber, es doch "normal" zu probieren. Nach der Gabe wehenfördernder Mittel und des - laut Staatsanwalt gefährlichen - Medikaments habe sie jedoch starke Schmerzen bekommen und mehrmals eindringlich nach einem Kaiserschnitt verlangt. Die Hebamme habe allerdings sinngemäß gemeint: Es passe alles, die Geburt verlaufe gut.
Verteidigung konterte Vorwürfen: Frau sei lege artis aufgeklärt worden
Der Verteidiger betonte, dass im Aufklärungsbogen, der von der Patientin unterschrieben wurde, explizit die Aufklärung zur vaginalen Geburt festgehalten worden sei, hier stehe handschriftlich: "Patientin über erhöhtes Risiko der Uterusruptur aufgeklärt". Die Frau bestreitet dies jedoch entschieden: Das könne nicht stimmen, das sei sicher nicht dort gestanden, beteuerte sie.
"Der ursprünglich eingeschlagene Weg der Sectio wäre der bessere und risikoärmere Weg gewesen", befand der medizinische Sachverständige, räumte aber auch ein: "Der Wunsch nach einer Vaginalgeburt hat bei vielen Frauen einen hohen Stellenwert." Dennoch hätte man der Frau den Kaiserschnitt von vornherein als bessere Möglichkeit anbieten und sie über das Risiko der vaginalen Geburt aufklären sollen - das sei aber nicht am Angeklagten gelegen. "Das hätte bei der Visite geschehen sollen. Die Frau muss wissen, worauf sie sich einlässt. Die Visite ist der Punkt, wo man Informationen übergibt oder bekommt."
Gutachter: "Man hätte Möglichkeit einer Uterusruptur nicht übersehen dürfen"
Prinzipiell halte er die Gabe des wehenfördernden Mittels nach einem zurückliegenden Kaiserschnitt für riskant, ergänzte der Gutachter. Im Wesentlichen sei die Betreuung der Patientin so wie üblich gewesen. "Man hätte die Möglichkeit einer Uterusruptur nicht übersehen dürfen", allerdings: "Es schien die Geburt zum Greifen nahe. Ein sehr später Kaiserschnitt ist eines der riskantesten Manöver in der gesamten Geburtshilfe." Immer wieder verwies er auf die "gelebte Praxis" im betreffenden Spital. Der Staatsanwalt wollte in diesem Spannungsfeld zwischen "Hausbrauch" und "internationalen Standards" wissen, ob Behandlungsfehler vorgelegen seien - was er aus dem schriftlichen Gutachten herausliest, in der mündlichen Befragung aber nicht beantwortet bekam. Fazit: Internationale Standards seien ignoriert, die Patientin nicht ausreichend aufgeklärt worden und der Arzt sei nicht ausreichend anwesend gewesen, so der Ankläger im Schlussplädoyer.
Opferanwalt über Schuldspruch erfreut
Opfer- bzw. Hinterbliebenenanwalt Stefan Rieder betonte nach dem von Strafrichter Christian Hochhauser gefällten Urteil im Gesprüch mit den SN: "Nach sehr langem Verfahren ist nun die Wahrheit ans Licht gekommen."
