Raffaela Schaidreiter stammt aus Werfen und studierte Medienwissenschaft und Forstwirtschaft. 2013 begann ihre Karriere als Radio- und TV-Journalistin im Landesstudio Salzburg.
Seit 2017 sind Sie EU-Korrespondentin in Brüssel, seit zwei Jahren leiten Sie das größte ORF-Büro. Eine Karriere, hinter der viel Arbeit und Disziplin steckt?Raffaela Schaidreiter: Ohne Leidenschaft, Ausdauer und Neugierde wäre das Arbeitspensum als Nachrichtenjournalistin in Brüssel kaum zu stemmen. Der Arbeitstag ist oft lang, beginnt mit Livetalks im Ö1-Morgenjournal über die Mittagssendungen bis hin zur ZiB 1 und ZiB 2. Ich höre auch nicht auf nachzudenken oder zu recherchieren, wenn ich den Laptop zuklappe. Jedes Gespräch mit EU-Diplomaten oder Politikerinnen nütze ich, um besser einordnen und verstehen zu können. Für mich ist es aber nach wie vor eine große Freude und ein Privileg, dass ich mein Interesse zu meinem Beruf habe machen können. In Brüssel kann ich auf ein großartiges Team zählen. Wir sind permanent drei Korrespondenten für Radio und TV, ein Kollege für Online, zwei Produzentinnen und eine Praktikantin. Wir sind das produktionsstärkste Büro des ORF-Korrespondentennetzwerks, beliefern quer durch die Bank alle Sendungen des ORF.
Sie arbeiten dabei auch mit Salzburg zusammen? Wenn etwa für Salzburg relevante Dinge in Brüssel passieren, z. B. Verhandlungen über den EU-weiten Schutzstatus des Wolfs, dann arbeiten wir auch inhaltlich zusammen. Wir begleiten zudem Salzburger Politikerinnen, wenn diese in Brüssel Arbeitstreffen haben. EU-Politik ist für mich Innenpolitik: Was immer in Brüssel beschlossen und entschieden wird, hat Folgen für das Leben und den Alltag in Österreich. Acht von zehn Vorgaben, die in Österreich gelten, haben ihren Ursprung auf EU-Ebene. Als eines von 27 EU-Ländern überträgt Österreich in Brüssel beschlossene Vorgaben in nationales Recht. Und Österreich sitzt bei den Verhandlungen in Brüssel und in Straßburg mit am Tisch. Ich denke bei meiner Berichterstattung oft an die Zeit im Landesstudio zurück, um das Bewusstsein zu schärfen, wie sehr sich EU-Politik bis in die Gemeinden hinunterzieht, welche Folgen EU-Entscheidungen für die Bezirke haben. Diese Nähe, diesen Nutzen und die Verbindung zu Österreich aufzuzeigen, das ist meine Aufgabe. Ich bin dabei nicht Anwältin der EU, ich bin informierte und distanzierte Beobachterin. Mein Kollege Armin Wolf sprach kürzlich von einer "Grundversorgung an Informationen", welche wir als öffentlich-rechtlicher ORF bereitstellen. Ich möchte diesen passenden Ausdruck gerne übernehmen. Eine ausgewogene Grundversorgung bereitstellen, damit sich unser Publikum bei gesellschaftlich relevanten Themen eine Meinung bilden, mitreden und mitwählen kann.
Im Juni stehen Europawahlen an. Sind die auch für Österreich von großer Bedeutung?Bei der EU-Wahl sind Bürgerinnen dazu aufgerufen zu beurteilen, wie sie den EU-Kurs bewerten und was sie sich wünschen. Klima- und Umweltschutz, angetrieben von den Fridays-for-Future-Protesten im Jahr 2019, haben die vergangene EU-Wahl dominiert. Bis heute, 2024, ist da etliches dazugekommen. Covid, Krieg gegen die Ukraine, Energiekrise, Migration. Und hier nochmals aufzuzeigen, was passiert ist, welche Parteien und Politiker sich auf EU-Ebene wie verhalten haben, welche Versprechen eingelöst wurden und wo reine Ankündigungspolitik war, das wird ebenso unsere Aufgabe in den kommenden Monaten sein. Die EU-Wahl selbst wird ein großes Ereignis mit etlichen Spezialsendungen, die wir auch von Brüssel oder Straßburg aus mitgestalten. Die Berichterstattung vor der Wahl wird sich stark um politische und personelle Inhalte der wahlwerbenden Parteien drehen, um das Personalkarussell und begehrte Topjobs. In den vergangenen Jahren wurden zusätzliche Themen auf EU-Ebene verlagert, die auch für Österreich relevant sind. Denken wir an neue Klima- und Umweltgesetze, die Industrie und Landwirtschaft maßgeblich betreffen.
Was bedeutet Ihnen Ihre Heimat, der Pongau ?
Ich versuche, regelmäßig daheim zu sein, um meine Eltern zu sehen, aber auch, weil ich die Vertrautheit der Region schätze, gerade, weil ich viel unterwegs bin. Es ist sicherlich ein Privileg, immer wieder zu den Wurzeln zurückkehren zu können. Außerdem steht mein Klavier noch in Werfen und in Brüssel gibt es zwar Gipfeltreffen, aber Skitouren kann man keine machen ...