SN.AT / Salzburg / Chronik / Kirchanschöring

Rupertiwinkel-Gemeinden schützen sich gemeinsam vor Starkregen

Durch den Klimawandel nimmt Starkregen zu. Die Rupertiwinkel-Gemeinden im Landkreis Traunstein wappnen sich jetzt gemeinsam für Extremniederschläge.

Die Folge von Starkregen im Jahr 2020 im Tachinger Mühlthal.
Die Folge von Starkregen im Jahr 2020 im Tachinger Mühlthal.

Schritt für Schritt wollen die sieben Kommunen der ILE Zukunftsregion Rupertiwinkel ein Starkregenkonzept entwickeln und umsetzen. Möglich ist das, weil sie sich erfolgreich für ein Förderprogramm des Bundesumweltministeriums beworben haben, das von 2024 bis 2027 läuft. Der offizielle Startschuss fiel jetzt bei einer "Starkregenkonferenz" in Kirchanschöring, an der u. a. Vertreter der Kommunen, von Behörden und Verbänden sowie interessierte Bürgerinnen und Bürger teilnahmen.

"Starkregenereignisse nehmen zu und haben auch schon in allen Gemeinden zu Problemen geführt", sagte Projektbeauftragte Julia McFadden. Das bestätigte Kreisbrandinspektor Günter Wambach: "Die Feuerwehren mussten zuletzt in jedem Jahr wegen Starkregenereignissen ausrücken." Kirchanschörings Bürgermeister Hans-Jörg Birner erinnerte daran, dass im Sommer 2018 die Turnhalle in Fridolfing wegen Starkregens überflutet wurde - "damit hat keiner gerechnet".

"Oft ist eine kleine Kante am Bordstein entscheidend."
Hans-Jörg Birner
Bürgermeister

Mit Blick auf die Entwässerungskanäle stellte das Gemeindeoberhaupt fest: "Unsere Systeme kommen an ihre Grenzen." Julia McFadden führte aus, dass die Böden im Rupertiwinkel durch die intensive landwirtschaftliche Nutzung zum Teil stark verdichtet seien - "das ist ein Problem". Professor Karl Auerswald von der Technischen Universität München machte ganz generell die Bodenversiegelung als Hauptursache aus. "Entsiegelung ist das Zauberwort", sagte der Forscher. Er stellte darüber hinaus fest, dass Entwässerungsgräben und -kanäle vielerorts zu eng gebaut seien, um so wenig Platz wie möglich zu brauchen. Das erhöhe aber die Fließgeschwindigkeit des Wassers und damit auch die Hochwasserwelle. "Wir müssen das Wasser aber langsamer fließen lassen."

Birner sagte, dass sich die Kommunen nicht aus der Verantwortung ziehen dürften und unterstrich die Notwendigkeit u. a. von Wasserrückhaltebecken und Verdunstungsflächen. "Und es kommt auch darauf an, wie wir Wegebau betreiben und neue Siedlungsgebiete anlegen." Oft sei schon "eine kleine Kante am Bordstein entscheidend, ob der Nachbar ein Problem bekommen wird". Das bestätigte auch der Kreisbrandinspektor: "Zwei drei Zentimeter Höhenunterschied sind oft entscheidend dafür, wo das Wasser hinfließt."

Experten erstellen Starkregenkarten

Landwirt Johann Praxenthaler aus Fridolfing propagierte den Wald als Regenwasserspeicher, stellte aber fest, dass die Hohlwege oft zu niedrig angelegt seien, sodass das Wasser aus dem Wald hinausfließen würde. "Darum müssen wir die Wege auf ein höheres Niveau bringen."

Um die Ist-Situation zu verbessern, lassen die sieben Kommunen jetzt in einem ersten Schritt von Expertinnen und Experten Starkregenkarten erstellen. Dafür erschaffen diese am Computer ein Geländemodell, in dem nicht nur alle Hügel und Senken, sondern auch Straßen, Gebäude und landwirtschaftliche Flächen eingezeichnet sind, und lassen es mit einem Regensimulator beregnen, um so die Fließwege des Wassers zu ergründen. So wollen sie u. a. erkennen, wo sich das Wasser staut.

Hanglagen würden eine besondere Gefahr darstellen, sagte Julia McFadden, weil das Wasser hier schneller abfließen und sich in tiefer gelegenen Bereichen sammeln würde. Die Fachmänner und -frauen, die die Starkregenkarten erstellen, haben schon jetzt auf zwölf neuralgische Punkte im Rupertiwinkel ein besonderes Auge - u. a. die Tenglinger Dorfmitte, Wiesmühl bei Tittmoning und Rothanschöring. Jedoch stellte Anna Lüke vom Ingenieurbüro Fichtner aus München fest: "Überflutungen können letztlich überall vorkommen."

Auch die Grundstückbesitzer stehen in der Pflicht

Ziel der Rupertiwinkel-Gemeinden ist es, bis Sommer 2026 langfristige und nachhaltige Lösungen zu finden und anschließend eine Informationskampagne für Hausbesitzerinnen und -besitzer durchzuführen. Florian Pfleger vom Priener Ingenieurbüro CfLab sagte: "Die Eigentümer zu informieren ist keine Angst- oder Panikmache." Vielmehr könnten sich die Kommunen nicht allein gegen die Gefahr wappnen. "Das muss auch jeder eigenverantwortlich machen."

Das unterstrich auch die Traunsteiner Kreisbaumeisterin Heidi Wohlmayer: "Jeder für sich ist in der Verantwortung zu schauen, dass er ein klimaresilientes Grundstück hat. Jeder muss bei sich schauen, wo er entsiegeln und das Wasser verlangsamen kann." Professor Auerswald glaubt, dass die meisten Hausbesitzerinnen und -besitzer dazu auch bereit sind - "nur wissen sie nicht, was sie tun sollen und darum braucht es nachhaltige Lösungen und Anschauungsbeispiele."

HALLO NACHBAR-NEWSLETTER

Jetzt kostenlos anmelden und wöchentlich topaktuelle Informationen aus Ihrer Region kompakt per E-Mail erhalten.

*) Eine Abbestellung ist jederzeit möglich, weitere Informationen dazu finden Sie hier.