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Stampfen gegen die Not der Menschen

Wo kommt das Trestern her? Vom Karneval oder vom Wein austreten in südlichen Gefilden? Oder gar von den Nazis? Erklärungen gibt's jetzt.

Die Trestererobmänner aus Bruck, Saalfelden, Stuhlfelden und Zell als Getreide-Austreter Bilder: Simo
Die Trestererobmänner aus Bruck, Saalfelden, Stuhlfelden und Zell als Getreide-Austreter Bilder: Simo

Es wird viel gemutmaßt über den Ursprung des Tresterns. Die Pinzgauer Tresterer, die in Stuhlfelden, Zell am See, Bruck, Unken und in Saalfelden aktiv sind, sind überzeugt, dass der Name vom Austreten der Körner mit den Füßen beim Getreidedreschen herleitet. Doch in den vergangenen Jahren gingen auch andere Deutungen durch die Medien. Der Ursprung soll im Fasching liegen, im venezianischen Karneval, beim Wein austreten vom Südrand der Alpen oder gar bei den Nazis.

Die heftigen Diskussionen und eine künstlerische Aufführung rief den Kulturverein Tauriska auf den Plan. Er initiierte ein dreijähriges Projekt, das den Ursprung klären soll. Christian Vötter: "Ziel ist es, den Brauch so festzuhalten, wie er gelebt wird. Schwerpunkte sind historische Quellenforschung, Tanz, Kostüme. Wir begleiten die Gruppen gemeinsam mit der Wissenschaft und darüber wollen wir ein Buch schaffen." Vor zwei Jahren wurde gestartet, vor kurzem gab es im Gasthof Flatscher ein Symposion.

Günter Mayrhofer, ehemaliger Obmann der Stuhlfeldener Tresterer, ist tief in die Materie eingetaucht. Er beschäftigte sich mit der Geschichte des Pinzgaus, mit Besiedelung, Versumpfung, Lebensbedingungen, Getreideanbau. Themen waren auch Aberglaube, Maskenverbote, Saumhandel, venezianische Karneval und Stoffanalysen. Er sagt: "Der Perchtentanz hat sich einzigartig und eigenständig im Pinzgau gebildet." Mayrhofer fand u. a. alte Aufzeichnungen des Tanzes beim Zehenthof in Pirtendorf. "Das rhythmische Austreten und Austanzen des Saatgutes als Brauchhandlung und das Zehentgetreide sind eindeutige Belege, dass der Perchtentanz im Pinzgau eng mit dem Getreide in Verbindung steht. Der Brauch ist aus der Not der Menschen entstanden. Die Lebensgrundlage war das Getreide. Auf Grund der anhaltenden Klimaverschlechterung, wir sprechen von der kleinen Eiszeit, war es von schlechter Qualität. Das Saatkorn kam höchst selten zur Reife. Der Hunger war die größte Not der Menschen. Ohne Saatkorn kein Keime, ohne Keime keine Ernte."

Alte Kostüme wurden wissenschaftlich untersucht

Ernestine Hutter vom Salzburg Museum nahm Bezug auf untersuchte Trestererkostüme. Deren Entstehung ordnete sie zwischen 1869 und 1896 ein. Den Anzug bezeichnet die Wissenschaftlerin als "sehr nobel." Er lasse Vergleiche zur Kleidung eines Adeligen in der Barockzeit zu. "Dazu kommt der wunderbare Kopfschmuck, der Bändermantel." Deren Ursprung sei noch offen, aber: "Ich traue mich zu sagen, dass das Kostüm aus 1896 den ältesten Bändermantel enthält."

Bei der Federkrone liege nicht der Vergleich mit Indianern, sondern mit der Schneidfeder am Hut junger Burschen nahe. "Diese musste von einem weißen Hahn sein. Es gab kein Ausgehen ohne diese Feder am Kopf." Beim Hundstoaranggeln habe der Hagmoar einen ganzen Federbuschen auf seinem Hut tragen dürfen. "Der Hahn gilt auch als Symbol der männlichen Kraft." Speziell wies Hutter daraufhin, dass Trestern ein Brauch ist: "Das ist ein ganzes Gefüge. Das besteht aus der Bewegung, dem Kostüm, aus der Verhüllung - nicht nur aus dem Tanzen. Alles fügt sich zu einem wunderbaren Ganzen."

Peter Papp von den Stuhlfeldener Trestern übergab Hutter ein Tresterergewand, das ca. 30 Jahre im Einsatz gewesen war: "Ich habe es so gut wie möglich aufbewahrt. Ernestine, ich darf es dir jetzt übergeben." Es sei bewegend und gehöre zu den schönsten Momenten im Leben eines Kustos, so ein Kostüm in Händen halten zu dürfen, sagte Hutter. "Es ist nicht nur das Material, sondern es verkörpert den Inhalt des Brauchtums für mich. Das Salzburg Museum wird diesen Trestereranzug bewahren, konservatorisch und wissenschaftlich bearbeiten", so die Wissenschaftlerin.

Trestern wird mystisch erlebt, hat keinen "Gaudifaktor"

Papp hatte noch ein Experiment vorbereitet - Getreide wurde von den Tresterer-Obmännern Christian Kasbacher (Bruck), Thomas Grundner (Saalfelden), Stefan Wallner (Stuhlfelden ) und Christian Posch (Zell am See) ausgetreten. Papp: "Für mich ist es verständlich, dass der Trestertanz mit dem Troadaustreten zusammenhängt. Zuerst stampft man es aus, dann streift man es aus."

Manfred Seifert (Universität Marburg) hatte zwei Wochen in Stuhlfelden verbracht und die Bedeutung des Brauchtums in der Gegenwart untersucht. Er sagte: "In Stuhlfelden haben wir eine gewachsene Dorfgemeinschaft, das ist für das Einbetten des Brauchtums enorm wichtig." Bei den Tresterern erkannte der Kulturwissenschaftler "große Konzentration und Ernsthaftigkeit. Sie kommen bei Auftritten in einen Flow, distanzieren sich aus dem Alltagsleben." Ein Tresterertanz habe keinen "Gaudifaktor", sondern werde als mystisch erlebt. Der soziale Kontakt bei den jeweiligen Gastgebern sei wichtig und werde als Geschenk empfunden. Und: "Die Tresterer distanzieren sich von touristischer Vereinnahmung", so Seifert.

Im Herbst 2019 soll das Buch erscheinen, sagte Christian Vötter und betonte: "Es wurde uns der Ursprung mit dem Getreide gut erläutert, aber wir lassen es noch offen, setzen ein Fragezeichen. Wir wissen nicht, ob nicht noch etwas hinzukommt." Hinzukommen sollen auch die Unkener Tresterer, hofft der Tauriska-Geschäftsführer. "Sie fehlen uns noch mit ihren Erfahrungen."


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