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Tabuthema kranke Seele? "Das muss sich ändern"

Immer mehr Menschen sind von psychischen Erkrankungen betroffen. Der Verein Pro Mente will das Schweigen darüber brechen und psychische Gesundheit zur Sprache bringen.

„Psychische Erkrankungen gehören zum Leben“, so Stefan Schwabeneder. Pro Mente hilft Betroffenen seit 50 Jahren. Bild:
„Psychische Erkrankungen gehören zum Leben“, so Stefan Schwabeneder. Pro Mente hilft Betroffenen seit 50 Jahren. Bild:
„Wir haben zuwenige Therapeuten und Ärzte', sagt Mona Spannberger, „und die Wartezeiten sind zu lange.'
„Wir haben zuwenige Therapeuten und Ärzte', sagt Mona Spannberger, „und die Wartezeiten sind zu lange.'

Bei Sophia fing es mit 16 Jahren an. Morgens war sie öfters sehr traurig und hatte Schlafprobleme, "und mir fehlte die Kraft für ganz normale alltägliche Dinge wie Duschen. Alles war anstrengend. Schlimmer wurde es in den folgenden Jahren, ich bekam ein schlechtes Gewissen, weil ich es nicht einmal mehr schaffte, morgens zur Arbeit zu gehen." Sophias Beispiel ist nur eines von vielen. Immer mehr junge Menschen leider unter psychischen Erkrankungen. Eine Depression etwa kann jeden treffen, unabhängig von Alter, Geschlecht und sozialem Status. Fast jeder Fünfte erkrankt einmal im Leben an einer Depression.

"Die Anzahl der Betroffenen steigt seit der Covid-19-Pandemie immer noch", sagt Mona Spannberger. Die klinische und Gesundheitspsychologin weiß, wovon sie spricht, sie betreut seit zehn Jahren über den Verein Kokon Mädchen und Frauen mit psychischen Problemen. Besonders betroffen macht sie, dass die Wartezeiten für Termine teilweise lang sind." Neben Menschen mit Ess- oder Angststörungen sind es Depressionen, Trennungsprobleme oder auch psychische Gewalt, die den Großteil ihres begrenzten Arbeitskontingentes ausmachen.

Gleichzeitig gibt es Versorgungslücken und Kapazitätsengpässe im Gesundheitssystem. "Alle niedergelassenen Ärzte und Psychologen leisten großartige Arbeit. Auch die Zusammenarbeit mit dem Klinikum Schwarzach funktioniert hervorragend. Trotzdem ist es leider Tatsache, dass es zu wenige Psychologen und Psychiater gibt." Bei Kokon können betroffene Frauen sechs kostenlose Termine in Anspruch nehmen und bei der Krisenintervention sind es immerhin zehn. "Doch viele Therapeuten sind auf Monate ausgebucht." Noch immer haben psychische Erkrankungen nicht den gleichen Stellenwert wie physische, beklagen alle Experten. Auch im Gesundheitssystem werde psychischen Erkrankungen nicht derselbe Stellenwert einräumt, "was man vor allem an den Krankenkassenleistungen erkennen kann".

"Verrückt? Na und!"

Positiv wirken sich niederschwellige Angebote wie beispielsweise der "kija" (Kinder- und Jugendanwaltschaft), von "JoJo" oder von "Pro Mente" im Bezirk aus.

Seit 2019 existiert im Pongau das schulische Präventionsprojekt "Verrückt? Na und!" von Pro Mente Salzburg. "Wir besuchen junge Menschen ab der achten Schulstufe", erzählt Projektleiter Stefan Schwabeneder. Der Sozialarbeiter und Pädagoge: "Das Schweigen über psychische Erkrankungen soll durchbrochen werden. Wir sprechen nicht nur übers Thema, sondern auch mit betroffenen Experten über Belastungen und Probleme der jungen Menschen." In 114 Workshops in den verschiedensten Schulen im Bundesland wurden bereits 2184 Schüler und Schülerinnen betreut, fast die Hälfte davon im Pongau. "Wenn sich jemand den Fuß bricht, dann reden wir über den Schmerz oder die diversen Therapien. Bei unserer Psyche ist das immer noch nicht so. Zwar sind wir offener geworden, aber die Probleme und Belastungen der jungen Menschen werden nicht weniger." Persönlich Betroffene und Experten informieren und erzählen im Projekt von Warnsignalen, berichten von Bewältigungsstrategien oder geben Informationen zu Beratungsstellen und Hilfsangeboten, "aber immer ohne Zeigefinger, es ist ein Austausch auf Augenhöhe. Denn Ratschläge sind oft gut gemeint, bewirken aber oft das Gegenteil", ist es Schwabender wichtig zu betonen, "und dass Menschen ihre eigene Geschichte erzählen, zeigt, wie stark sie sind." Die Feedbacks geben mit überwältigender Mehrheit dem Projekt übrigens recht: 82 Prozent der Jugendlichen meinten, dass ihnen Mut gemacht und Zuversicht vermittelt wird. Auch den Betroffenen hilft die offene Begegnung mit jungen Menschen: "Das versetzt Berge. Denn psychische Erkrankungen sind kein Stigma, sondern gehören zum Leben. Man kann sie überstehen und daran auch wachsen."

Die Finanzierung für "Verrückt? Na und!" ist vorerst leider nur für dieses Jahr abgesichert. Man hofft, noch weiter diese wichtige Aufklärung leisten zu können.

Tipps & Hilfe

Pro Mente feiert heuer den 50. Geburtstag.
Im Pongau sind in ambulanter Krisenintervention, Arbeitsassistenz und Training, Kinder-Seelenhilfe und Projekten rund 60 Mitarbeiter beschäftigt.
Pro Mente: Tel. 0699/16 20 04 07; Krisenintervention: Tel. 0662/43 33 51;
Telefonseelsorge: 142;
kija Kinder- und Jugendanwaltschaft Innergebirg: 0664/611 66 36

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