Die Meldung machte auf Facebook schnell die Runde: Ein 14-jähriges Mädchen hatte sich am Montag zum Salzburger Hauptbahnhof fahren lassen, um nach Wien zu reisen. Am Dienstag wussten ihre Verwandten nicht, wo sie sich aufhielt. Ihre Sorgen teilten sie mit digitalen Freunden. Innerhalb weniger Stunden wurde die Vermisstenmeldung 13.000 Mal geteilt. Am Mittwoch hatte sich die Angelegenheit geklärt: Das Mädchen war wieder aufgetaucht.
Private Vermisstenaufrufe geistern regelmäßig durch soziale Medien. Für die Polizei sind diese Meldungen problematisch. Prinzipiell sei so etwas den Angehörigen unbenommen, sagt Polizeisprecher Hans Wolfgruber. "Aber sie sollten sich genau überlegen, ob sie diesen Schritt setzen." Denn oft überwiege der Schaden solcher Meldungen dem Nutzen. Zum einen, weil das Internet nichts vergisst. "Die Person taucht wieder auf. Aber die Meldung bleibt im Internet, oft mit Foto und vollem Namen. Das kann für die betroffenen Personen in ihrem späteren Lebensweg mitunter nachteilig sein."
Zudem käme es immer wieder vor, dass die gesuchten Personen aufgrund der Meldung erst recht nicht nach Hause kämen. "Manchmal sind es Jugendliche, die im Streit mit den Eltern ausbüxen. Die bekommen diese Aufrufe mit und sind dann erst recht beleidigt. Gerade wenn sie dann ein Foto von sich sehen, mit dem sie nicht glücklich sind."
Hans Wolfgruber rät dazu, sich in jedem Fall sofort an die Polizei zu wenden. "Es gibt das Gerücht, dass man eine gewisse Zeit warten muss, bis man eine Vermisstenmeldung aufgeben kann. Das stimmt aber nicht." Je früher man die Polizei informiere, desto besser sei es. "Es ist wichtig, solche Vorfälle von kompetenter Seite abklären zu lassen. Wir nehmen das grundsätzlich sehr ernst und hinterfragen die Angelegenheit."
Vermisstenaufrufe mache die Polizei aber nur ganz selten. Aus gutem Grund: Aufrufe seien nur auf Anordnung der Staatsanwaltschaft möglich. "So etwas ist ein Eingriff in den persönlichen Lebensbereich. Das geht nur, wenn es den dringenden Verdacht auf ein Verbrechen oder einen Unfall gibt." Viele Leute wüssten auch nicht, dass mündige Erwachsene ihren Aufenthaltsort frei wählen dürften. "Die Angehörigen können natürlich in jedem Fall eine Vermisstenanzeige aufgeben. Wenn wir diese Person dann finden, müssen wir sie aber fragen, ob wir die Verwandten darüber informieren dürfen."
Wolfgruber rät jedenfalls dazu, eine gewisse Zeit verstreichen zu lassen, bevor man private Aufrufe abgibt. "Oft vermuten Angehörige gleich einen Unfall oder etwas Ähnliches. Aber man muss sich auch fragen: Gibt es vielleicht doch noch einen anderen Grund, warum die Person gerade nicht auffindbar ist?"
Die allermeisten Vermisstenfälle lösen sich jedenfalls in Wohlgefallen auf. Das zeigt ein Blick auf die Statistik. Im Vorjahr wurden in Österreich 10.232 Vermisstenanzeigen aufgegeben. 311 davon in Salzburg. Von den Salzburger Fällen sind derzeit 14 noch ungeklärt. In elf Fällen handelt es sich bei den gesuchten Personen um Nicht-EU-Ausländer. "Man kann davon ausgehen, dass es sich dabei um Asylbewerber handelt, die sich zu Verwandten in ein anderes Land abgesetzt haben." Somit bleiben drei Fälle, in denen männliche Erwachsene noch abgängig sind. Ein Verbrechen wird in keinem der Fälle vermutet.