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Eine mutige Pianistin vermittelt Lebensfreude

Alice Sara Ott lässt sich von einer schockierenden Diagnose nicht beirren. Die Münchner Pianistin begeistert im Abo-Zyklus der Salzburger Kulturvereinigung mit Ravel. Auch der junge Dirigent Santtu-Matias Rouvali lässt beim Gastspiel der Göteborgs Symfoniker aufhorchen.

Alice Sara Ott wurde in der Salzburger Felsenreitschule bejubelt.
Alice Sara Ott wurde in der Salzburger Felsenreitschule bejubelt.

Alice Sara Ott blickt in die Weite der Felsenreitschule. Ganz allein ist sie in diesem Riesenraum mit dieser kleinen Melodie. Wie oft hat die Pianistin dieses Adagio assai aus Maurice Ravels G-Dur-Konzert schon gespielt, diesen Wundersatz, dessen schlichtes Klaviermotiv sich zum überwältigenden orchestralen Gefühlsausbruch steigert. Doch nun ist alles anders. Alice Sara Ott hat vor wenigen Wochen die endgültige Diagnose erhalten: Multiple Sklerose. Eine unheilbare Nervenkrankheit, deren Auswirkungen auf den Körper nicht abzusehen sind. Werden die Finger darunter leiden, die das Kapital der Münchner Pianistin darstellen? Wie lange funktioniert der Körper noch reibungslos?

All das spielt im Moment keine Rolle. Denn Alice Sara Ott ist ganz bei sich in ihrem Tun, sie versenkt sich in dieses Stück Musik, das so tröstliche Wirkung entfalten kann. Viele Auftritte hat sie abgesagt in den vergangenen Monaten, wohl in der Unsicherheit über das wahre Ausmaß ihrer Erkrankung. "Während ich von einer Untersuchung zur nächsten lief, herrschte in mir ein Chaos aus Angst, Panik und Verzweiflung", berichtet die 30-Jährige auf ihrer Facebook-Seite. Darüber reden will sie vorerst noch nicht. Aber sie musiziert. Mit grandioser Präzision hämmert sie die motorischen Passagen der beiden Ecksätze in den Flügel, formt die kühnen rhythmischen (Gegen-)Akzente heraus, die unter dem Mantel der vordergründigen Eleganz schlummern. Immer wieder sucht sie den Dialog mit den Holzbläsern in den Reihen von Göteborgs Symfoniker, kann den Klavierklang kraft ihres Anschlags auch bis ins Mehrfach-Pianissimo zurücknehmen.

In der Zugabe gewährt Alice Sara Ott ein weiteres Mal Einblicke in ihre Seelenwelt, verharrt im kantablen Gefühlsbereich des posthum veröffentlichten cis-Moll-Nocturnes von Frédéric Chopin. Diese Miniatur findet aus der Verzweiflung zuletzt heraus in ein zartes, lebensbejahendes Dur. Ein berührender Lichtblick, den diese mutige, große Künstlerin uns mit auf den Weg gibt.

Über diesen erhellenden Auftritt von Alice Sara Ott hinaus bot das Gastspiel des schwedischen Orchesters im Abo-Zyklus der Salzburger Kulturvereinigung ein abwechslungsreiches Programm. Santtu-Matias Rouvali ist ein junger, aufstrebender Chefdirigent, der Igor Strawinskys Ballettmusik zu "Petruschka"

von oberflächlicher Brillanz befreit und mithilfe schriller, ungeschliffener Orchesterfarben die Ecken und Kanten dieses frühmodernen Werks herauskitzelt.

Am Beginn des Konzerts am Mittwochabend stand die Komposition "Liguria" von Andrea Tarrodi. Mit viel Raffinesse und Gespür für orchestrale Farbmischungen entwirft die schwedische Komponistin eine Landschaftsaufnahme, deren dichte Streicher-Cluster zu einem polyrhythmisch-vertrackten Kern führen, ohne die Hörer mit allzu avantgardistischen Klängen zu verstören.

Das Publikum nahm dieses ungewöhnliche Programm begeistert auf. Rouvali konnte gar nicht anders, als das wohl populärste Stück seines Landsmanns Jean Sibelius als Zugabe zu dirigieren. So ungewohnt torkelnd, mit extremen Temposprüngen und dynamischen Kontrasten gestaltet, hat man den "Valse triste" wohl noch nie gehört. Ob dieser tollkühne Finne nicht auch eine gute Wahl für künftige Neujahrskonzerte wäre? Auf Rouvalis Interpretation von Sibelius' Symphonie Nr. 2 am Freitag darf man jedenfalls gespannt sein.

Konzert: Göteborgs Symfoniker, Santtu-Matias Rouvali, Alice Sara Ott. Abo-Zyklus der Salzburger Kulturvereinigung, Salzburger Felsenreitschule, 28. Februar und 1. März, 19.30 Uhr.

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