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"Fierrabras": Premiere für die letzte Oper der Festspiele

Können Liebespaare aus verfeindeten Lagern zusammenfinden? Todesangst und Verzweiflung bedrohen ihre zärtlichen Gefühle.

"Fierrabras": Premiere für die letzte Oper der Festspiele
"Fierrabras": Premiere für die letzte Oper der Festspiele
Fierrabras liebt Emma. Er ist ein arabischer Prinz, Sohn des Maurenfürsten Boland. Sie ist die Tochter Karls des Großen, der gegen Boland Krieg führt. Emma liebt Fierrabras nicht. Das ist bitter für ihn.

Eginhard liebt Emma. Er ist ein tapferer Ritter ohne Stand, der im Heer des Frankenkönigs seinen Dienst tut. Emma liebt Eginhard. Beide wissen: Nur eine herausragende Heldentat könnte Eginhard in den Augen von Emmas strengem Vaters adeln.

Florinda liebt Roland. Florinda ist die Tochter des besagten Maurenfürsten, also Fierrabras' Schwester. Roland liebt Florinda. Roland ist ein Offizier im christlichen Heer. Und auch er ist ein mutiger Ritter.

Die Handlung von Franz Schuberts heroisch-romantischer Oper "Fierrabras", die heuer zum ersten Mal bei den Salzburger Festspielen aufgeführt wird, spielt in den Burgen Karls des Großen in Südfrankreich und des Maurenfürsten Boland in Spanien. Christen und Muslime führen einen erbitterten Kampf.

Zeit der Handlung: Ende des achten Jahrhunderts. Karl der Große führt sein Heer gegen die arabischen Besatzer Spaniens. Kann die Geschichte ein gutes Ende nehmen?Da bleiben einige Fragen offen: Kann die Geschichte ein gutes Ende nehmen? Kann Liebe derart unerschütterlich sein, dass Florinda mitten in Schrecken, Qual und Todesgrauen des Krieges singt "Ach, immer neu erwacht der Sehnsucht Trieb"? Wie können die Liebespaare aus den verfeindeten Lagern zusammenfinden? Einmal davon abgesehen, dass bei fünf Personen zuletzt eine allein bleiben wird. Kann die Liebe der jungen Leute dazu beitragen, die Feindseligkeiten zwischen den Vätern zu beenden? Schwer vorstellbar.

Denn Frieden, so verkündet Karl der Große, kann es nur geben, wenn der Feind "des Glaubens Wahrheit mit uns teilen" will. Das heißt auf gut Christlich: Wir beenden den Krieg erst dann, wenn sich die Muslime taufen lassen. Schlechte Aussichten für Liebe.

Man kommt nicht umhin, von einer missglückten Textvorlage zu sprechen. Der Wiener Theaterdichter Josef Kupelwieser ist der Librettist dieser Ritteroper. Als Quellen dienten ihm Texte aus dem zwölften Jahrhundert, insbesondere das "Rolandslied" und das altfranzösische Chanson "Fierabras", aber auch Motive von Calderón, Friedrich de la Motte Fouqué und anderen Autoren fanden Verwendung.

In der Absicht, eine große, ernste Oper zu schreiben, entschied sich Kupelwieser dafür, Feindschaft und Liebe, Rache und Sehnsucht, höchste Staatsebene und Kuschelsofa miteinander zu verschränken.

Dazu wird noch eine große Portion militärisch grundierter Männerbündelei eingerührt, vor uns stehen lauter tapfere Krieger "mit männlich festem Mut". Dass die Verstrickung von Liebesleid mit Ritterpathos bisweilen unfreiwillig komisch wirkt, daran hat der pseudoheroische Ton der ausladenden Dialoge einen wesentlichen Anteil. So viel Selbstlosigkeit, Tugend und Verschwiegenheit herrscht sonst nur noch in Sarastros Reich.Eine "heroisch-romantische" OperGute Aussichten gibt es aber für Musikfreunde. An diesem Opernabend kann man sich nicht genug über Franz Schuberts Erfindungskraft freuen. Arien, Duette, Terzette, Ensemble-, Melodram- und Chorszenen von berückender Schönheit sind zu hören. Und man kommt aus dem Staunen über die kompositorische Raffinesse und Vielfalt der Mittel nicht heraus.

"Fierrabras", die "heroisch-romantische" Oper, ist Franz Schuberts letztes und zugleich bedeutendstes Opus für das Musiktheater. Es entstand im Jahr 1823. Als Schubert diese Fülle von musikalischen Erfindungen zu Papier brachte, war er 26 Jahre alt. Trotz einer Krankheit in den Sommerwochen (erneut Syphilis?) war dieses Jahr besonders ergiebig. 1823 entstand auch der Liedzyklus "Die schöne Müllerin". Zur Aufführung der Oper kam es zu Schuberts Lebzeiten leider nicht.

Das fortgesetzte Unglück, das den Komponisten bei seinen insgesamt elf Opernprojekten verfolgte, ist Legende. Es stimmt nicht, dass die Begeisterung für die italienische Oper oder ein zweifellos grassierendes Rossini-Fieber der Wiener allein daran schuld waren.

In Wien gab es in diesen Jahren viele Aufträge für deutsche Opern, Ludwig van Beethovens "Fidelio" und Carl Maria von Webers Opern waren keine Ausnahmen. Man sollte vielmehr bedenken, dass der junge Komponist Franz Schubert trotz einiger persönlicher Verbindungen zu einflussreichen Persönlichkeiten Wiens im Musikbetrieb der Stadt nicht als professioneller Partner für größere Vorhaben in Betracht gezogen wurde. Die ambitionierten musikalischen Unternehmungen der Schubert-Freunde dürften den aristokratischen Opernmanagern Wiens wie sympathische Produktionen aus der - heute würde man sagen - "freien Szene" erschienen sein.

Für die Oper "Fierrabras" zahlte das Kärntnertor-Theater - im Unterschied zu "Alfonso und Estrella", Franz Schuberts 1822 komponierter Oper - immerhin ein Auftragshonorar. Aber es handelte sich nur um eine mündliche Vereinbarung, es gab keinen schriftlichen Vertrag. Der genannte Librettist Josef Kupelwieser war - im heutigen Sinne - Chefdramaturg im Kärntnertor-Theater. Er verlor Anfang des Jahres 1824, einige Wochen vor der geplanten Uraufführung von "Fierrabras", seine einflussreiche Position, nachdem seine Affäre mit einer Wiener Schauspielerin publik geworden war. Nach Kupelwiesers Abgang fühlte sich im Leitungsteam des Theaters offenbar niemand verpflichtet, die Verabredung mit Schubert einzuhalten.

Erst 1897 wurde "Fierrabras" in einer gekürzten Fassung von Felix Mottl in Karlsruhe uraufgeführt. Und erst in den 8oer-Jahren des vergangenen Jahrhunderts fanden Aufführungen der dreiaktigen Originalfassung statt."So verworren die Figuren, so verworren die Handlung"Die tatsächliche Entdeckung der Oper ist jedoch dem Dirigenten Claudio Abbado und der Regisseurin Ruth Berghaus zu verdanken. Für die Wiener Festwochen des Jahres 1988 produzierten sie im Theater an der Wien eine beispielhafte Aufführung mit einem hervorragenden Ensemble: Cheryl Studer, Karita Mattila, Josef Protschka, Robert Gambill, Robert Holl und Thomas Hampson.

Ruth Berghaus hatte eine überzeugende symbolische Bildsprache gefunden: Kreuze, die zu Schwertern werden, friedliche Palmzweige, die wie Waffen zum Einsatz kommen. Allerdings merkte die Regisseurin schon damals an: "So verworren die Figuren, so verworren die Handlung."

Dennoch haben Claudio Abbado und Ruth Berghaus den Beweis erbracht, dass "Fierrabras" auf den Opernbühnen realisierbar ist. Das Eis war gebrochen, vielbeachtete Inszenierungen entstanden: Die Oper in Frankfurt setzte das Werk 2002 auf den Spielplan. Claus Guth inszenierte "Fierrabras" im selben Jahr an der Zürcher Oper, Franz Welser-Möst stand am Pult, Jonas Kaufmann sang die Titelpartie. Claus Guth hatte die Oper als Kindheitstraum des jungen Schubert inszeniert und den Komponisten selbst auf liebevoll-ironische Weise zur zentralen Bühnenfigur gemacht: Als Spielleiter eines biedermeierlichen Zimmertheaters arrangiert er für sich seine Vision der Geschichte.

Im Finale der Oper siegt nach einigen Scharmützeln klarerweise das Christentum. Karl dem Großen gelingt die Unterwerfung der Mauren: "Des Himmels Segen hat der Waffen Glück begünstigt." Künftig werden die Mauren "des Glaubens Wahrheit" mit den Christen teilen. Jubel! Fierrabras verzichtet auf Emma, die Könige begraben die Feindschaft, die Liebespaare finden sich. Vorhang!

Wir applaudieren nicht nur den beiden Tenören, sondern allen Solisten, die an diese Aufführung enorme Anforderungen zu meistern haben. Jetzt spielt es dann keine Rolle mehr, dass sich die Geschichte aber tatsächlich anders abgespielt hat: Der Feldzug Karls des Großen war nicht erfolgreich, die Mauren triumphierten, und bis zum Fall von Granada 1492 blieben große Teile Spaniens unter dem Einfluss ihrer arabischen Besatzer.

Oper: Fierrabras von Franz Schubert,
Musikalische Leitung: Ingo Metzmacher,
Regie: Peter Stein, mit Julia Kleiter, Dorothea Röschmann, Michael Schade, Markus Werba
u. a., Wiener Philharmoniker.
Premiere: 13. August, Haus für Mozart.


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