Aletta Collins hat in ihrer "Carmen"-Produktion für die Salzburger Osterfestspiele 2012 die Handlung des Bühnenklassikers in die Zeit des Spanischen Bürgerkriegs verlegt, was seinen Ausdruck in den Requisiten findet. Genia Kühmeier wird auch bei der Wiederaufnahme dieser Inszenierung bei den Salzburger Festspielen - nun begleitet von den Wiener Philharmonikern - im Krankenschwesternkostüm der 1930er-Jahre auftreten.
Ebenso wenig bedient Magdalena Kozená in der Titelpartie die üblichen "Carmen"-Klischees. Mit rotblondem Haar und durchaus auch leisen Tönen verzichtet die in der historischen Aufführungspraxis verwurzelte Sängerin und Gattin des Dirigenten Simon Rattle auf große Posen. Das entspricht der filigranen musikalischen Idiomatik Georges Bizets.
Auch die britische Regisseurin hat wenig Interesse daran, primär die Verruchtheit einer Femme fatale auf die Bühne zu bringen, sondern sie richtet ihren Blick auf Carmens soziale Randposition.
Für das Selbstverständnis dieser Figur sei es wichtig, Zigeunerin, also eine Außenseiterin, zu sein, sagt Aletta Collins und begründet so auch ihre Entscheidung für die Verlegung der Opernhandlung in den gut hundert Jahre später stattfindenden Bürgerkrieg. Dies lässt aus ihrer Sicht nicht nur die Militärpräsenz im ersten Akt schlüssiger werden. Vor allem entstehe in einer Epoche sich auflösender Ordnung ein Vakuum, ein gesellschaftlicher Freiraum, den sich Außenseiter wie Carmen zunutze machten.
Für Genia Kühmeier erklärt sich aus diesem Freiraum die Faszination, die die Zigeunerin auf den Brigadier Don José (den Jonas Kaufmann singen wird) ausübt. "Carmen ist mit Okkultismus verbunden, sie zieht mit Banditen durch das Land, ist Teil einer kriminellen Szene", sagt Genia Kühmeier. "Von all dem fühlt sich José sehr angezogen, ganz abgesehen von Carmens Erotik. Micaëla ist im Vergleich dazu ein Mauerblümchen und mit ihrem christlichen Hintergrund und ihrer Geradlinigkeit ein Gegenstück zu Carmen."
Aber Micaëla sei nicht das naive Landmädchen. "Und sie beweist enorm viel Mut, wenn sie ganz allein vom Land in die Stadt geht, weil sie alles wieder in geordnete Bahnen bringen möchte."
Diesen Wagemut unterstreicht auch das Bühnenbild: Genia Kühmeier singt die berühmte Arie der Micaëla mutterseelenallein in einem unterirdischen Tunnel.