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Genia Kühmeier: Mehr als ein Landmädchen

Die Sopranistin hat als Micaëla bei den Osterfestspielen Salzburg Furore gemacht. Den SN schildert sie, warum eine Gretchenfrisur reizvoll sein kann.

Genia Kühmeier: Mehr als ein Landmädchen
Genia Kühmeier: Mehr als ein Landmädchen
Wenn die Regisseurin und Choreografin Aletta Collins einen Bühnenklassiker wie "Carmen" inszeniert, in Salzburg im Verbund mit der von ihr bevorzugten Kostümbildnerin Gabrielle Dalton, so darf man gespannt sein. "Ich finde es eine gelungene Idee, dass die Micaëla hier als Krankenschwester mit Arzttasche in Erscheinung tritt", sagt Genia Kühmeier über ihre Rolle im SN-Gespräch. "Auch wenn man über meine Gretchenfrisur streiten kann und manche meinen, ich hätte mir das nicht verdient. Aber so kommt das große Herz von Micaëla zum Ausdruck, ihre aufopfernde Haltung und ihre Kraft, für andere da zu sein."

Aletta Collins hat in ihrer "Carmen"-Produktion für die Salzburger Osterfestspiele 2012 die Handlung des Bühnenklassikers in die Zeit des Spanischen Bürgerkriegs verlegt, was seinen Ausdruck in den Requisiten findet. Genia Kühmeier wird auch bei der Wiederaufnahme dieser Inszenierung bei den Salzburger Festspielen - nun begleitet von den Wiener Philharmonikern - im Krankenschwesternkostüm der 1930er-Jahre auftreten.

Ebenso wenig bedient Magdalena Kozená in der Titelpartie die üblichen "Carmen"-Klischees. Mit rotblondem Haar und durchaus auch leisen Tönen verzichtet die in der historischen Aufführungspraxis verwurzelte Sängerin und Gattin des Dirigenten Simon Rattle auf große Posen. Das entspricht der filigranen musikalischen Idiomatik Georges Bizets.

Auch die britische Regisseurin hat wenig Interesse daran, primär die Verruchtheit einer Femme fatale auf die Bühne zu bringen, sondern sie richtet ihren Blick auf Carmens soziale Randposition.

Für das Selbstverständnis dieser Figur sei es wichtig, Zigeunerin, also eine Außenseiterin, zu sein, sagt Aletta Collins und begründet so auch ihre Entscheidung für die Verlegung der Opernhandlung in den gut hundert Jahre später stattfindenden Bürgerkrieg. Dies lässt aus ihrer Sicht nicht nur die Militärpräsenz im ersten Akt schlüssiger werden. Vor allem entstehe in einer Epoche sich auflösender Ordnung ein Vakuum, ein gesellschaftlicher Freiraum, den sich Außenseiter wie Carmen zunutze machten.

Für Genia Kühmeier erklärt sich aus diesem Freiraum die Faszination, die die Zigeunerin auf den Brigadier Don José (den Jonas Kaufmann singen wird) ausübt. "Carmen ist mit Okkultismus verbunden, sie zieht mit Banditen durch das Land, ist Teil einer kriminellen Szene", sagt Genia Kühmeier. "Von all dem fühlt sich José sehr angezogen, ganz abgesehen von Carmens Erotik. Micaëla ist im Vergleich dazu ein Mauerblümchen und mit ihrem christlichen Hintergrund und ihrer Geradlinigkeit ein Gegenstück zu Carmen."

Aber Micaëla sei nicht das naive Landmädchen. "Und sie beweist enorm viel Mut, wenn sie ganz allein vom Land in die Stadt geht, weil sie alles wieder in geordnete Bahnen bringen möchte."

Diesen Wagemut unterstreicht auch das Bühnenbild: Genia Kühmeier singt die berühmte Arie der Micaëla mutterseelenallein in einem unterirdischen Tunnel.

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