Doch Walter Müller hat zur literarischen Verteidigung angesetzt. Sein Monolog "mutter.TRAKL" wurde nun im Schauspielhaus Salzburg in Szene gesetzt, Uraufführung des Auftragswerks war am Sonntagabend.
Warum soll immer die Mutter an allem schuld sein? Mit dieser und zahllosen weiteren Fragen konfrontiert Maria Catharina Trakl sich und das Publikum. Georg Trakl befreite sich am 3. November 1914, vor exakt 100 Jahren, mit einer Überdosis Kokain von den Schrecken des Krieges. Seine jüngere Schwester Gretl erschoss sich drei Jahre später schwer drogenabhängig in Berlin. Das ist zu viel an Skandalen für eine angesehene Bürgerfamilie. Dass die Mutter an Gefühlskälte litt und selbst den Giftfläschchen zugeneigt war, hat ihr Bild in den Trakl-Biographien negativ geprägt.
Doch der Salzburger Autor Walter Müller setzt zur Verteidigung der Mutter an - oder versucht zumindest das Bild zurechtzurücken. Es war nämlich der gütige Vater, der Georg Trakl zur fatalen Apothekerlehre gedrängt hat, die diesem erst den Zugang zu Kokain und Morphium ermöglichte. Und das Kindermädchen aus dem Elsass habe mit den Kindern auf Französisch parliert, um die Mutter kommunikativ auszuschließen. Die konnte aber ohnehin nie den frühen Tod ihres ersten Sohns überwinden und hat sich in ihre Hinterzimmer zurückgezogen.
Müller ist ein starker Text gelungen, der biografisch Belegbares mit literarischer Freiheit verbindet. Susanne Czepl-Zrost setzt die Wortkaskaden mit viel Gespür für die Musikalität der Sprache und dramatische Kraft um. Auch die Gebrochenheit ihrer Figur macht Czepl-Zrost deutlich, wenn sie von bürgerlich-seriöser Trotzigkeit in die tröstende Wahnwelt von Chloroform und Veronal umschwenkt und plötzlich unverständliches Zeug daherbrabbelt. Ein 90-minütiger Kraftakt, von Regisseur Klaus Ortner klug in Szene gesetzt.
Auch Georg Trakl selbst ist an diesem Abend präsent. Sechs seiner Gedichte haben Ilona und Christoph Lindenbauer vertont, in der von der Mutter verhassten französischen Sprache werden diese so kraftvollen expressionistischen Bilder zu Musik. Es entstehen wunderbar zarte Momente, wenn sich die Gesangslinien mit Gitarren-Begleitung vereinen, und eindringliche düstere Schattenszenen von Sopran über nacktem Kontrabass. Andere Versuche der Vertonung wirft Trakl einfach unsanft ab, weil's sich nicht ineinanderfügen will. Insgesamt ist die Melange aus Schauspiel und Musik aber äußerst gelungen. Verdientermaßen langer Jubel für eine würdige Auseinandersetzung mit diesem schwierigen Salzburger Genie.
"mutter.TRAKL", Monolog von Walter Müller mit Susanne Czepl-Zrost. Regie: Klaus Ortner. Musik: Ilona und Christoph Lindenbauer. Weitere Aufführungen: 6., 8. und 11. November, Schauspielhaus Salzburg.